100 Jahre KP in China: Eine unendliche Geschichte?
In China wird in dieser Woche das 100-jährige Bestehen der Kommunistischen Partei gefeiert. Ihre Alleinherrschaft ist in der Verfassung festgeschrieben. Seit 2012 wird die Partei von Xi Jinping geführt, der seit 2013 auch Staatsoberhaupt ist und die Begrenzung seiner Amtszeit hat abschaffen lassen. Nach außen zeigt sich die Partei unbesiegbar.
Ohne historisches Gedächtnis
Blutvergießen auf dem Tiananmen-Platz zu erwähnen, müsste beim Publikum eigentlich schreckliche Erinnerungen an 1989 hervorrufen, meint Corriere della Sera:
„Dennoch nutzte Xi Jinping eben dieses Bild, um zu bekräftigen, dass das Ausland nicht in der Lage sein werde, den Aufstieg seines Chinas einzudämmen. Diejenigen, die das wagen würden, würden 'ein Blutvergießen an einer Großen Mauer aus Stahl, die aus Fleisch und Blut von mehr als 1,4 Milliarden Chinesen gebaut worden sei', erleben. In der Übersetzung aus dem Mandarin für Übersee wurde der Hinweis auf Blut weggelassen. Doch die ozeangleiche Versammlung, die nach Tiananmen gerufen worden war, um das hundertjährige Bestehen der Kommunistischen Partei zu feiern, vernahm diese konfrontativen Worte sehr wohl. Und die Menge reagierte mit überzeugtem, bewegtem Applaus - ohne jegliches historisches Gedächtnis.“
Peking brauchte und braucht Partner
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung erinnert daran, dass auch der Westen seinen Anteil am Aufstieg Chinas hatte:
„Chinas Kommunisten wurden von Wirtschaft und Politik im westlichen Ausland über viele Jahre hofiert, aus politischen (Gegengewicht zur Sowjetunion) und ökonomischen (riesiger Markt) Motiven. Es ist also nicht zuletzt westlichem Unternehmergeist zu verdanken, dass der chinesische Unternehmergeist wieder erweckt worden ist. Vieles von dem, was erreicht worden ist, stellt Xi Jinping mit seiner Wagenburgmentalität wieder in Frage. China ist stark, da hat er recht. Aber auch ein starkes China kann auf Dauer nicht ohne Partner reüssieren.“
So rücksichtslos wie agil
Leen Vervaeke, China-Korrespondentin von De Volkskrant, erklärt den Erfolg der chinesischen KP:
„[Er] basiert zuallererst auf ihrem rücksichtslosen Charakter. Die Partei nutzt ein breites Arsenal von Zwangs- und Kontrollmitteln. ... Die KPC hat null Toleranz für alles, was ihre Macht bedrohen könnte. ... Aber Repression reicht als Erklärung nicht für alles aus, was die KPC erreicht hat. ... Deutlich ist, dass die KPC sehr beweglich und in der Lage zu großen Kehrtwenden ist: Vom Kommunismus zum Staatskapitalismus, von der internationalen Isolation zum Teilnehmer und Herausforderer der bestehenden Weltordnung, von totaler Leugnung des Virus bis zum totalen Lockdown. Ob eine solche Wende in Zukunft erneut nötig ist, muss sich zeigen, aber zurzeit scheint die KPC unantastbar. “
Autoritäres Gegenmodell
Le Temps sieht den Erfolg der Partei mit Sorge:
„Die Erben von [den KP-Mitgründern] Chen Duxiu und Li Dazhao haben ein Modell von national-konfuzianischem, autoritärem Kapitalismus erfunden (chinesische Intellektuelle sprechen von Faschismus). Sie haben eine Ambition, ein Projekt, eine Vision, ein Angebot. Dieses Angebot ist heute die wichtigste Alternative zum westlichen Modell der liberalen Demokratie. Es wäre ein Fehler zu denken, dass uns das nichts angeht. In einem Europa, in dem die Demokratiemüdigkeit um sich greift, ist das sogar eine große Herausforderung.“
Mächtig und dennoch fragil
Chinas Kommunisten sind nur scheinbar stark, glaubt The Guardian:
„Viele haben darauf gesetzt, dass die Partei untergehen wird - und sie haben verloren. Weder die Nationalisten von Chiang Kai-shek, noch der freie Markt, noch das Internet haben der Partei ein Ende bereiten können. Aber die wahre Lektion ihrer Erfolgsgeschichte ist, dass niemand vorhersagen kann, was kommen wird. Und die Kommunistische Partei weiß das. Vor hundert Jahren war sie mit dem Ziel angetreten, das Denken und das Schicksal des chinesischen Volkes zu transformieren. Doch sie kann diesem noch immer nicht die Wahrheit zumuten, die Möglichkeit zur freien Rede einräumen oder das Recht gewähren, seine eigenen politischen Führer zu wählen.“
Diktatur auf dem Weg zur Hegemonialmacht
Die Partei strotzt vor Gesundheit, stellt indes El País klar:
„Mit 92 Millionen Mitgliedern ist es die größte Partei der Welt und der Geschichte. Und in jeder Hinsicht die mächtigste: von der Bevölkerungszahl unter ihrer Führung - ein Fünftel der Menschheit - bis zu den Institutionen, den Unternehmen und ihren Streitkräften - ebenfalls die größten der Welt. Keine gegenwärtige Partei ist so lange an der Macht. ... Die aus dem Westen angestimmten Totengesänge widerlegend wurde Covid nicht zum chinesischen Tschernobyl, sondern im Gegenteil zur Chance, die gesundheitspolitische, wirtschaftliche und technologische Effizienz der Parteidiktatur zu beweisen, sowie ihre Bereitschaft zu demonstrieren, als Weltmacht um die Hegemonie zu ringen.“