Haftstrafe für Nicolas Sarkozy
Zum ersten Mal in der Geschichte Frankreichs soll ein Ex-Präsident in Haft: Das Strafgericht in Paris hat Nicolas Sarkozy wegen illegaler Wahlkampffinanzierung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ohne Bewährung verurteilt. Im Versuch, doch noch gegen François Hollande zu gewinnen, hatte er 2012 das zulässige Budget weit überzogen. Eine Eventfirma half, die Kosten zu verschleiern. Europas Presse deutet das Urteil.
Wie ein fiebriger Rockstar
L'Obs rekapituliert die Endphase des Wahlkampfs 2012:
„Nicolas Sarkozy hat in der Überzeugung, François Hollande nur noch wenige Tage vor der Wahl zu schlagen, eine wilde Verfolgungsjagd gestartet. ... Er hat immer mehr Veranstaltungen angesetzt, mit einer riesigen Wut im Bauch, wie ein rücksichtsloser und fiebriger Rockstar. ... Er war kurz davor, sein Ziel zu erreichen. Es ist dieser chaotische und übersteigerte Endspurt, der dem ehemaligen Präsidenten der Republik heute zum Verhängnis wird. ... Und natürlich sein nicht gerade freundliches Verhalten gegenüber den Richtern, denen er unverfroren den Spitznamen 'Erbsen' verpasst hat. Ein Skandal sondergleichen, den sie nie verdaut haben.“
Mit Frankreichs Unsitte ist jetzt Schluss
Das Urteil ist Symbol einer veränderten Grande Nation, meint die Kleine Zeitung:
„Lange Zeit wurden bei kleinen Affären und sogar großen Skandalen beide Augen zugedrückt. Machtmenschen, die sich alles rausnahmen, das gehörte irgendwie zum französischen Lokalkolorit dazu. Es sorgte für lustige Anekdoten, nährte die Politikverdrossenheit und stärkte die Populisten. … Weil die Richterin weiter gegangen ist als die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, wird das Urteil als Signal empfunden, dass nun endgültig eine neue Zeitrechnung in Paris begonnen hat: niemand kommt mehr straflos davon.“
Einfluss auf die Konservativen ebenfalls passé
Auch Der Tagesspiegel stellt zufrieden fest:
„Frankreich mag in der Vergangenheit Präsidenten gehabt haben, die in vielerlei Hinsicht über die Stränge geschlagen haben. Aber es gibt dort inzwischen auch eine Justiz, die hart durchgreift. ... Auch wenn Sarkozy in Berufung geht und das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, stellt die Entscheidung ein wichtiges Signal dar. Unabhängig vom Ausgang des Berufungsverfahrens stehen sieben Monate vor der Präsidentschaftswahl zumindest zwei Dinge fest: Sarkozy muss seine Pläne endgültig begraben, im Lager der Konservativen indirekt Einfluss auf die Kandidatenkür zu nehmen. Und mehr denn je müssen die Kandidaten Transparenz über die Herkunft ihrer finanziellen Unterstützer an den Tag legen.“
Von Putin hätte er noch viel lernen können
Im Vergleich zum Machtmissbrauch à la Putin sind Sarkozys Vergehen Lappalien, unkt der Satiriker Viktor Schenderowitsch in Echo Moskwy:
„Das waren doch Peanuts! Und die wollen sich Großmacht nennen? ... Wo bleibt der Ehrgeiz, Nicolas? Wie wäre es mit einem Verfassungsbruch und dem sich Genehmigen einer dritten Amtszeit? Die Nationalversammlung verderben? Richter kaufen? Und auf Kommando hunderttausend Staatsbedienstete aus allen Regionen und Provinzen zusammentrommeln und mit ihnen Wahlkampfkino für die Primetime aller TV-Sender raushauen? Die Stimmen so zählen, dass ein Hollande nicht die geringste Chance hätte? Da war man wohl zu feige, diesen Hollande einfach von den Wahlen auszuschließen?“