Russland: Kein Raum für Kriegsgegner
In Russland hat sich ein Repressions- und Propagandaapparat etabliert, der Opposition - vor allem gegen den Krieg in der Ukraine - zum Schweigen bringt und die breite Bevölkerung gefügig bis desinteressiert macht. Nun wurden die Gesetze für Medienaufsicht und 'ausländische Agenten' nochmals verschärft. Was heißt das für Andersdenkende?
Strafbar sind schon Anführungszeichen
Der Oppositionspolitiker Boris Wischnewski resümiert in Nowaja Gaseta Ewropa eine Rechtslage, die mit Rechten nur noch wenig gemein hat:
„Zum Objekt der Repression kann jeder werden, auf den der Staat zeigt - und es gelingt zumeist nicht, sich dagegen zu schützen. Das zeigt die Anwendungspraxis der repressiven Gesetze über 'Diskreditierung' und 'Fakes', über 'ausländische Agenten' und 'unerwünschte Organisationen', über 'extremistische Symbolik' und 'Landesverrat'. Einfach alles kann ohne jeden Beweis zur 'Diskreditierung der Streitkräfte' erklärt werden. Sogar, wie vor kurzem ein Gericht in Nischni Nowgorod entschied, die Verwendung von Anführungszeichen beim Wort 'Sonderoperation'. Strafbar ist also auch, wenn man nur 'auf orthografischem Weg' seine Haltung zum Geschehen ausdrückt.“
Ein Land versinkt in Finsternis
The New Times zitiert einen vielfach geteilten Facebook-Post des Schauspielers Anatoli Bely, der erklärt, warum er nach anfänglichen Protesten und vielen Anfeindungen resigniert und Moskau verlassen hat, um ins Ausland zu gehen:
„Man kann mich wohl einen Geschlagenen nennen. Ich denke, wir haben diese Schlacht verloren. Wir, das sind die Kultur und alle diejenigen, die auf eine demokratische Entwicklung ihres Landes hofften. Wir sind wenige. Man kann uns leicht vom Antlitz der Erde und aus der Geschichte pusten. Russland braucht uns nicht, sehr schade. Dabei gibt es hier so viele wundervolle und schöne Menschen. Aber noch mehr Dunkelheit. Das ist die bittere Wahrheit, man muss sie akzeptieren. Das Schlüsselwort in dieser dunklen Zeit ist für mich: Enttäuschung.“
Anpassung statt Rebellion
Die Hoffnung, dass sich die russische Bevölkerung angesichts des Ukraine-Krieges gegen Putin auflehnen würde, war blauäugig, glaubt The Irish Times:
„Die meisten Russen akzeptieren den Krieg gegen die Ukraine. Viele von uns im Westen sind schnell dabei, sich dieser Tatsache zu versperren - was daran liegt, dass wir es einfach nicht wahrhaben wollen. ... In solch einem autoritären Regime ist es aber oft einfacher, sich an das System anzupassen, als einen Wandel dessen herbeiführen zu wollen. Die daraus resultierenden Gefühle der Hilflosigkeit und Unterordnung nähren sich von selbst und verstärken die Narrative der Isolation. Sich korrekt zu verhalten und in die Menge einzufügen, ist da die beste von vielen unangenehmen Optionen.“