Nach tödlichem Angriff: Wie mit Bären umgehen?
In Norditalien haben Jäger die Bärin JJ4 gefangen, die Anfang April einen Jogger getötet hatte. Was mit ihr passieren soll, ist noch unklar. Den zuvor erteilten Abschussbefehl hatte ein Gericht nach Protesten vorläufig ausgesetzt, am 11. Mai soll entschieden werden, ob das Todesurteil vollstreckt wird. Für Kommentatoren ist der Fall Anlass für generelle Gedanken über das Zusammenleben mit Wildtieren.
Sicherheit des Menschen geht vor
Manchmal führt kein Weg daran vorbei, ein solches Tier zu töten, erklärt Corriere del Ticino:
„Die Koexistenz mit großen Raubtieren ist komplex. Das erleben wir auch im Tessin mit Wölfen. ... Es sind sehr nützliche Tiere für die Umwelt, weil sie als Regulatoren für viele Arten weiter unten in der Nahrungskette fungieren. Doch ohne sorgfältiges Management können sie großen Schaden anrichten oder (zum Glück sehr selten) tödliche Unfälle verursachen. ... Wenn, wie es in den Vorschriften zu Recht heißt, die Sicherheit des Menschen Vorrang vor dem Schutz von Raubtieren hat, dann müssen Mittel eingesetzt werden, um die Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben von Mensch und Tier zu schaffen. Und da muss man auch mal eine Tötung in Kauf nehmen - derzeit das einzige Mittel, das ein gewisses Gleichgewicht gewährleisten kann.“
Die Arroganz des schnellen Tötens
Für die Berliner Zeitung wirft der Fall im Umgang mit Tieren grundlegende Fragen auf:
„Warum wird nach einem Unfall gleich die 'Todesstrafe' gefordert? So wird doch auch nicht vorgegangen gegen die Verursacher der mehr als 2.500 Verkehrstoten in Deutschland. Nur bei Tieren. ... [Es] muss erlaubt sein, über die Arroganz des Tötens nachzudenken. Es ist richtig, aggressive Raubtiere zu fangen und notfalls zu töten, die sich anders verhalten als ihre meist scheuen Artgenossen. Doch ein Problem bei solchen Fällen ist, dass ganz schnell ganze Arten verurteilt werden. Es ist wie bei den Menschen selbst: Zwar fallen meist nur wenige negativ auf, aber schnell ist ein Vorurteil da. So ist es auch bei Tieren.“
Sehnsucht nach wilden Tieren ist naiv
Wälder müssen für alle zugänglich bleiben, fordert der Kurier:
„Österreich ... ist ein Tourismus- und Agrarland. Die Rückkehr von Raubtieren in die Nähe von Siedlungsgebieten ist problematisch, ja im Grunde sogar unsozial: Soll der Erholungsraum Wald nur noch Gutsbesitzern und Jägern gehören, der Bürger ausgesperrt bleiben? ... Die von manchen Städtern gepflegte Sehnsucht nach wilden Tieren im dunklen Wald übersieht, dass Räuber auch Opfer suchen und jagen. Unsere Vorfahren haben diese Raubtiere daher selbst erlegt, wenn sie dem Menschen zu nahe kamen. Ein gefahrloses Miteinander von Raubtier und Mensch erfordert Distanz und keine Naivität.“