Setzt Israels Regierung ihre Justizreform durch?
Israels Parlament hat am Montag wesentliche Teile der umstrittenen Justizreform von Benjamin Netanjahus rechtsreligiöser Regierung gebilligt. Unter anderem soll das höchste Gericht Gesetze künftig nicht mehr wegen Verfassungswidrigkeit verhindern können. Nach Massenprotesten hatte Netanjahu die Reform im März zunächst zugunsten neuer Gespräche gestoppt. Auch jetzt kam es wieder zu Großdemonstrationen.
Netanjahu unter Druck von zwei Seiten
Der Regierungschef ist in einer Zwickmühle, analyisiert Polityka:
„Die extrem nationalistischen und religiösen Koalitionspartner sehen in der Reform die einzige Chance, ihre Interessen für die Zukunft zu sichern. Die Kontrolle über den Obersten Gerichtshof und die Justiz bedeutet die Erfüllung von Wahlversprechen an ihre Wählerschaft: die Siedler im Westjordanland und die Ultra-Orthodoxen. ... Es geht um handfeste Interessen und um Milliarden von Schekel. Netanjahu kann die Forderungen der Koalitionspartner nicht ignorieren. Aber auch nicht den Druck aus den USA. Kürzlich sagte Joe Biden, Netanjahus Koalitionspartner seien die 'extremsten', die Israel je gesehen habe. Bislang hat Netanjahu auch noch keine Einladung ins Weiße Haus erhalten, obwohl er seit fast sieben Monaten an der Spitze der Regierung steht.“
Grund für einen Umsturz
Wenn die Regierung diese Reform durchpeitscht, hat Israels Zivilgesellschaft allen Grund, bis zum Äußersten zu gehen, findet Die Presse:
„Netanjahu zeigt sich ... unbeeindruckt – sowohl vom Druck aus Washington als auch von der Polarisierung und den gesellschaftlichen Erosionserscheinungen in Israel. Just diese Reform stärke die Demokratie, betonte er – was an Zynismus kaum zu überbieten ist. ... Sollten die verzweifelten Appelle des Präsidenten, Jitzhak Herzog, und der Opposition nach einer neuen Verhandlungsrunde verhallen und die ... Hoffnung für einen Kompromiss in sich zusammenfallen, tun die Reformgegner gut daran, mit Protesten und Streiks Netanjahus schamlose Regierung zu Fall zu bringen. Es ist ein Akt des Patriotismus.“