Fußball-WM: Durchbruch für den Frauensport?
Spaniens Fußballerinnen haben das WM-Finale mit 1:0 gegen England gewonnen. Von dem in Australien und Neuseeland ausgetragenen Turnier erhoffen sich viele einen Durchbruch für den Profisport der Frauen und Medien vermelden entsprechende Rekorde bei Zuschauerzahlen. Europas Presse sieht viel Bedarf für Verbesserung und ärgert sich über einen Kuss.
Peinlicher Auftritt der beteiligten Männer
Eldiario.es kritisiert das Verhalten des Trainers der spanischen Nationalelf, Jorge Vilda, und und des Präsidenten des spanischen Fußballverbands, Luis Rubiales:
„In einem ansonsten perfekten Finale störten am meisten die Bilder und Aussagen der beiden einzigen männlichen Protagonisten des Tages nach dem Sieg, Jorge Vilda und Luis Rubiales. Luis Rubiales' Umarmungen grenzten an Fummelei und der Kuss auf den Mund der [Spielerin] Jenni Hermoso war der Gipfel. ... Dazu war Jorge Vilda unfähig, zu sagen 'wir sind Weltmeisterinnen' und drückte alles in einem männlichen Plural aus, wobei wohl irgendwie der männliche Singular gemeint war.“
Professionalisierung ist der Schlüssel
Die Fußballtrainerin Mariana Cabral lobt in Público die Anstrengungen Spaniens und Englands für den Frauenfußball:
„Die bemerkenswertesten Investitionen in Europa wurden in den letzten Jahren in England und Spanien getätigt, den beiden Mannschaften, die das WM-Finale erreicht haben. Erstere, die Europameisterinnen, haben die wahrscheinlich beste Liga des Kontinents, die vom englischen Fußballverband mit starker Unterstützung der größten Vereine umstrukturiert wurde; letztere haben in der vergangenen Saison eine 100-prozentige Profiliga eingeführt und können bereits auf eine lange Erfolgsgeschichte im Jugendbereich zurückblicken. ... Der Weg an die Weltspitze ist möglich, aber nicht ohne Investitionen, Planung und intensive Vorbereitung.“
Erfolgreiche Imagepflege für die Fifa
Der internationale Fußballverband kann sich als großer Gewinner dieser Weltmeisterschaft bezeichnen, kommentiert der Deutschlandfunk:
„In Australien und Neuseeland wurde ... Imagepflege betrieben, und das mit großem Erfolg: Statt über Regenbogen-Fahnen und Menschenrechtsverletzungen wurde in Down Under vier Wochen lang über Fußball-Euphorie und Gleichberechtigung gesprochen. Rekord-Einschaltquoten und -Ticketverkäufe sprechen dafür, dass die Marketingstrategie der Fifa voll aufging. Das Produkt Frauenfußball funktioniert inzwischen nicht nur in Europa, sondern in allen Teilen der Welt. Fifa-Präsident Gianni Infantino nutzt dabei die Bühne, um sich als großer Frauenrechtler zu inszenieren ... .“
Trainerinnen können es kaum richtig machen
Dass nur zwölf der teilnehmenden WM-Teams von Frauen trainiert werden, ärgert Malta Today:
„Wenn Trainerinnen sich so verhalten, wie es den Geschlechterstereotypen entspricht, zum Beispiel, indem sie fördern und erziehen, werden sie oft als weniger kompetent angesehen. Wenn sie jedoch auf eine Weise agieren, die nicht mit den Klischees im Einklang steht, etwa indem sie durchsetzungsfähig und entscheidungsfreudig auftreten, gelten sie als unweiblich. Daher liegen sie nie 'genau richtig'. Dazu kommt die hohe Kompetenzschwelle: Von weiblichen Coaches wird im Spitzensport ein höherer Standard erwartet, sie bekommen aber weniger gezahlt als ihre männlichen Kollegen.“
Weniger öffentliches Interesse, also weniger Geld
Die oft kritisierte Gehaltsschere zwischen weiblichen und männlichen Profis hat wenig mit Diskriminierung zu tun, findet Kolumnist Philip Patrick in The Spectator:
„Ich denke, niemand wird bestreiten, dass Frauen den gleichen Prozentsatz der Einnahmen aus ihrem Sport erhalten sollten wie Männer. Doch dieser Betrag ist in absoluten Zahlen zumindest derzeit deutlich anders. Das ist vielleicht nicht unbedingt fair und streng genommen eine Ungleichheit, aber es ist kein Beweis für Vorurteile oder Diskriminierung. Man kann vielleicht von einer Zeit träumen, in der der Frauenfußball in der Öffentlichkeit genauso beliebt sein wird wie der Männerfußball - aber das dürfte noch in weiter Ferne liegen.“