Warum stimmte Irland gegen modernes Frauenbild?
Die Wählerinnen und Wähler in Irland haben gegen Verfassungsänderungen gestimmt, in denen es um die Rolle der Frau und den Begriff der Familie ging. Nun bleibt unter anderem eine 80 Jahre alte Formulierung bestehen, in der vom "häuslichen Leben" der Frau die Rede ist, die allein zuständig für Haushalt und Kindererziehung sei. Kommentatoren analysieren die Motive für die klare Ablehnung.
Ja-Kampagne ohne Überzeugung
The Irish Times ist überhaupt nicht erstaunt über das Abstimmungsergebnis:
„Die Regierung wollte keines der beiden Lager verprellen und versuchte daher einen argumentativen Spagat: Einerseits erklärte sie, dass die Änderung eine weitgehende Verfassungsreform darstelle. Andererseits versprach sie, dass sich rechtlich kaum etwas ändern würde. Mit diesem Mittelweg verscherzte es sich die Regierung mit allen Lagern und scheiterte bei dem so wichtigen Bemühen, einen Konsens und eine Position der Mitte zu etablieren. Allzu oft waren die Erklärungen der Regierung während des Wahlkampfs unklar und die Argumente, die sie darlegte, nicht überzeugend. Viele hochrangige Regierungsmitglieder fielen dadurch auf, dass sie sich an der Debatte erst gar nicht beteiligten.“
Votum gegen die Regierung
Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat für das Ergebnis eine Erklärung:
„[V]on der Regierung unterstützte Referenden [sind] immer auch Referenden über die Regierung ... . Und hier hat die Politik ihre Wähler falsch eingeschätzt, deren vordringlichstes Problem möglicherweise nicht die antiquierten Rollenzuschreibungen in der Verfassung sind. Auch in Irland kippt die Stimmung gegenüber Einwanderern, Wohnungsmarkt und Gesundheitswesen stehen unter Druck. Gut möglich, dass der Unmut darüber die Menschen an die Urnen getrieben hat - während die Befürworter der Verfassungsänderungen lieber zu Hause geblieben sind.“
Opposition braucht sich nicht zu wundern
Dass Oppositionsparteien wie Sinn Féin der Regierung die Schuld für das Scheitern zuschieben, lässt Irish Independent nicht gelten:
„Alle großen Parteien waren für die Reform, aber wirklich offensichtlich war das nicht. … Wenn sie tatsächlich vom Sinn der Änderungen überzeugt gewesen wären, hätten sie sich mehr für diese stark gemacht. Die größte Partei des Landes, Sinn Féin, startete am 20. Februar ihre kaum wahrnehmbare Kampagne für ein Ja - indem sie die Regierung wegen einer 'verpassten Chance' anprangerte und eine Wiederholung versprach, falls die Abstimmung scheitern sollte. So agiert niemand, der ein Referendum zum Erfolg führen möchte.“