Deutsche Wirtschaft kriselt – und mit ihr die EU?

Mit einem minimalen Wachstum von 0,1 Prozent im dritten Quartal 2024 ist die deutsche Wirtschaft dicht an einer Rezession vorbeigeschrammt. Der neue Finanzstabilitätsbericht der EZB sieht für ganz Europa ein labiles, durch geopolitische Unsicherheiten und Spannungen im Welthandel geprägtes Umfeld. Die europäische Presse macht sich ernste Sorgen.

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The Economist (GB) /

Dem Unwetter der Globalisierung schutzlos ausgesetzt

The Economist analysiert:

„Es ist eine bekannte Litanei. Die deutsche Industrie, insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen, hat sich auf schrittweise Innovationen konzentriert und ist daher nicht auf technologische Schocks wie das Aufkommen von Elektrofahrzeugen vorbereitet. Die engen Verbindungen zwischen Unternehmen, Banken und Politikern führten zu Selbstgefälligkeit und Reformresistenz. Das dogmatische Festhalten an Haushaltsregeln führte zu verrosteten Brücken, verfallenen Schulen und verspäteten Zügen. Das Wachstum auf ausländischen Märkten ließ die Gewinne (und Steuereinnahmen) eine Zeit lang sprudeln, aber dieses exportorientierte Modell setzte Deutschland dem kälter werdenden Wind der Globalisierung schutzlos aus.“

Naftemporiki (GR) /

Der Faktor Trump

Naftemporiki blickt bei der Ursachenforschung über den Atlantik:

„Es ist kein Zufall, dass die aktuelle deutsche Regierungskrise am Tag ausbrach, an dem Trumps Sieg bei den US-Wahlen klar wurde. Trumps Wirtschaftsprogramm sieht vor, Zölle auf eine Reihe europäischer Produkte zu erheben, um das Wachstum der US-Wirtschaft zu fördern. Geplant sind Zölle auf Produkte, die die USA im eigenen Land herstellen können. Experten schätzen, dass das BIP der Eurozone im Falle der Einführung von Zöllen um ein Prozent schrumpfen würde. Trump hat Europa mit einer Reihe paralleler Herausforderungen konfrontiert, die jedoch alle auf das gleiche Ziel hinauslaufen: das Wirtschaftswachstum in den USA mindestens zu verdoppeln. Und er zwingt die europäischen Staaten, mehr Geld für die Rüstung auszugeben.“

Newsweek Polska (PL) /

Niemand kann Europas Sponsor ersetzen

Für Newsweek Polska ist das Problem,

„dass ein schwaches Deutschland auch eine schwache Europäische Union bedeutet. Das schafft zwei große Probleme für den Block als Ganzes. Fast zwei Drittel aller deutschen Einfuhren kommen aus anderen EU-Ländern, und Deutschland erwirtschaftet ein Viertel des BIP der EU. Wenn die Dinge in Deutschland schlecht laufen, droht dem Kontinent ein Jahrzehnt der Stagnation. Doch das ist noch nicht alles. Elon Musk stieß kürzlich ein großes 'Wow' aus, als er erfuhr, wie viel Deutschland für Europa zahlt. Es ist der Sponsor des gesamten europäischen Projekts. Niemand kann die Deutschen in dieser Rolle ersetzen.“