WHO: Was taugt das Pandemie-Abkommen?

Auf Grundlage der traumatischen Erfahrungen mit der Corona-Pandemie haben sich die 194 Mitgliedsstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf einen Vertrag geeinigt, der den Umgang mit künftigen Seuchen verbessern soll – etwa bei der Beschaffung und Verteilung von Schutzmaterial und Impfstoffen. Inwieweit das Unterfangen gelungen ist, bewerten Kommentatoren unterschiedlich.

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Le Temps (CH) /

Bedeutender multilateraler Erfolg

Das Abkommen bringt die Welt voran, lobt Le Temps:

„Es führt ein System für den Zugang zu Informationen über Krankheitserreger ein, mit möglichen Gegenleistungen für die Staaten, die diese kommunizieren. Das ist grundlegend. Eine schnelle Übermittlung der Gensequenz eines neuen Virus an Gesundheits- und Wissenschaftsbehörden erlaubt eine bessere Reaktion auf eine neue Epidemie und eine höhere Kapazität, in kurzer Zeit Impfstoffe zu entwickeln. Der in Genf errungene multilaterale Erfolg bestätigt zudem endlich die zentrale Rolle der WHO in Sachen öffentliche Gesundheit. Die derzeit zur Kürzung ihrer Ausgaben um 20 Prozent gezwungene UN-Agentur erhält eine Anerkennung, die sich auf eine unbestreitbare Tatsache stützt: Die globale Gesundheit kann nur eine Gemeinschaftsaufgabe sein.“

Kleine Zeitung (AT) /

Mensch soll sich als Spezies begreifen

Es braucht mehr Koordination bei Gesundheitskrisen, meint die Kleine Zeitung:

„Prävention und funktionierende Lieferketten sollen im Fokus stehen, Wissen zur Herstellung von Medikamenten und Impfstoffen soll verstärkt geteilt werden. Das Abkommen ist bisweilen schwammig formuliert. Klar hervor geht aber, dass es nur in Ländern gilt, deren Parlamente es ratifiziert haben. Und: Die WHO kann auch künftig keine Lockdowns, Reiseverbote oder Impfungen anordnen. Pandemien sollen fortan den Solidaritätsmuskel aktivieren – mit Blick nicht zuletzt auch auf den globalen Süden. Bewusstsein, dass man einer globalen Pandemie – neben vernunftgeleiteter nationaler Gesundheitspolitik! – entgegentritt, indem man sich als eine Spezies begreift: offenkundig eine schwierige Übung.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Zeiten des Egoismus sind nicht vorbei

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bleibt skeptisch:

„Der Vertrag muss von den Staaten ratifiziert werden – wer am Ende dieses aufwendigen Prozesses mitzieht, ist schwer vorherzusagen. Und es sind Zweifel angebracht, ob die Versprechen von mehr Informationsaustausch und mehr Fairness eingelöst werden, wenn es wieder um Lockdowns geht und darum, wie viele Impfstoffe eine Regierung ins Ausland schickt. In der Krise sind sich viele selbst am nächsten – und Zeiten des Egoismus nicht vorbei.“