Syriza koaliert mit Rechtspopulisten
Nur 21 Stunden nach Schließung der Wahllokale ist Syriza-Chef Alexis Tsipras am Montag zum neuen griechischen Premier vereidigt worden. Zuvor hatte er eine Koalition mit der europakritischen und rechtspopulistischen Partei Anel bekannt gegeben. Die verarmte Mittelschicht hat diese ungewöhnliche Allianz an die Macht gebracht, meinen Kommentatoren und zweifeln an ihrer Stabilität.
Tsipras' Regierung ist instabil
Die Koalition mit einer rechtspopulistischen Kleinpartei macht die Schwierigkeiten nur noch größer, die nun auf den neuen griechischen Premier Alexis Tsipras warten, prophezeit die linksliberale Tageszeitung Der Standard: "Schon ohne die enorme Aufgabe des Schuldenumbaus und der Wirtschaftskrise wäre die Regierungsübernahme dieser Linken ein schwieriges Unternehmen. In Regierungsgeschäften ist sie unerfahren, für die Institutionen des griechischen Staats ist sie eine Herausforderung. Ein großer Teil der Medien ... ist mit den zwei Parteien des alten Systems verbunden, der Nea Dimokratia und Pasok. Den Polizeiapparat hat die Linke bisher als Gegner gesehen. ... Der Rückhalt in der Ministerialbürokratie für Syriza ist ungewiss, auch wenn die Linke einen Teil der Beamten hinter sich weiß, gegen deren Entlassung sie ankämpfte. Absehbar sind Konflikte mit der orthodoxen Kirche und über neue außenpolitische Akzente. Die Koalition mit einer rechtspopulistischen Kleinpartei macht all das noch schwieriger. Tsipras' Regierung ist neuartig, aber nicht stabil."
Absurde Koalition gegen die Sparmaßnahmen
Die Koalition der linken Syriza mit der rechtspopulistischen Partei Anel beruht einzig und allein auf der gemeinsamen Ablehnung der Sparpolitik, meint die konservative Tageszeitung Večernji List: "Es ist nicht schockierend, dass sich die jungen Griechen, deren Leben und Zukunft die Krise am meisten gefährdet, der ultralinken Syriza zugewendet haben. Schockierend ist, dass sich ein Großteil der Mittelschicht, die eigentlich die großen gemäßigten Parteien wählt, auf die Seite der Ultralinken geschlagen hat. ... Das erklärt die ebenso schockierende Tatsache, dass die Syriza die Unabhängigen Griechen, eine nationalistische Partei am rechten Rand zum Koalitionspartner macht. Sie verbindet nur der Widerstand gegen die Sparmaßnahmen. Aber das ist offenbar genug, um eine Koalition zu schmieden, die tief in die Sphäre des Unerklärlichen und Absurden dringt. Das ist auch ein Zeichen an Angela Merkel, die Mutter der Sparmaßnahmen, die sie sich von den sparsamen deutschen Hausfrauen abgeschaut hat."
Verarmte Mittelschicht macht Bündnis möglich
Die Verelendung der griechischen Mittelschicht infolge der rigiden Sparmaßnahmen hat das Bündnis zwischen dem Linksbündnis Syriza und der rechtspopulistischen Partei Anel möglich gemacht, meint die liberale Tageszeitung La Stampa: "Das Undenkbare wird in Griechenland denkbar, ja vollbracht, wo die Gegenüberstellung zwischen rechts und links einem anderen, dringlicheren Gegensatz, nämlich dem zwischen leerem und vollem Magen, gewichen ist. ... Das rot-schwarze Bündnis von Athen ist die verbotene und vielleicht giftige Frucht der europäischen Politik, oder besser gesagt Nicht-Politik. Der Sozialstaat ist die außerordentlichste Errungenschaft der Nachkriegszeit gewesen. Seine totale Zerstörung, die sich bisher nur in Griechenland vollzogen hat, verelendet die Mittelschicht und schafft gesellschaftliche vor-revolutionäre Bedingungen. Denn auf dem Feld tritt nur mehr eine Elite von Privilegierten gegen ein Volk von Verzweifelten an."
EU wird Kompromisse machen
Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem hat am Montag in Brüssel gesagt, für einen Forderungsverzicht gegenüber Athen gebe es nicht viel Unterstützung. Vor der Wahl wurde Griechenland gedroht, nun ist der Tonfall gelassener, freut sich die konservative Tageszeitung Naftemporiki: "Diese kleine Änderung zeigt Kompromissbereitschaft - außerdem liegt der Kompromiss in der DNA der Europäischen Union. Er ist die Art, wie sich die EU bewegt und sich weiterentwickelt. ... Ja, die europäische Führung könnte guten Willen zeigen und Schritte für eine gegenseitig vorteilhafte Lösung für die Schuldenregelung und zu den Bedingungen des Sparprogramms machen. Man geht davon aus, dass der Schwerpunkt dieses Kompromisses nicht auf einem Schuldenschnitt liegt, sondern auf einer Abweichung von unrealistischen Zielen, wie zum Beispiel Primärüberschüssen von 4,5 Prozent bis vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) bis zum Jahr 2022."