Athen unter Zeitdruck
Der griechische Premier Alexis Tsipras hat sich nach einem Sondertreffen mit EU-Spitzenvertretern am Donnerstag in Brüssel verpflichtet, in den nächsten Tagen konkrete Reformvorhaben auf den Weg zu bringen. Danach soll Athen kurzfristig weitere Finanzhilfen erhalten. Das ändert nichts daran, dass die Eurozone, so wie sie ist, nicht funktioniert, mahnen Kommentatoren und warnen davor, Griechenland Russland und China zu überlassen.
Eurozone ist nur mit stiller Revolution zu retten
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Donnerstag ein Zusammenspiel aus Solidarität der EU-Staaten und griechischen Anstrengungen gefordert, um die Schuldenkrise zu beenden. Das allein wird noch nicht reichen, mahnt die konservative Tageszeitung Die Welt: "Wenn die Eurozone eine Zukunft haben soll, muss sie dringend neu gebaut werden - in Richtung einer gemeinsamen Haushalts- und Wirtschaftspolitik mit einem gemeinsamen Finanzminister. Das wäre das Ende des souveränen Staates im herkömmlichen Sinn. Es wäre eine Zumutung, eine stille Revolution. ... Die aufreibenden Trippelschritte zur Rettung Griechenlands ... sollten nicht den Blick verstellen auf viel größere Sorgenkinder: Frankreich und Italien. Um diese Länder mit einer chronischen strukturellen Wachstumsschwäche und einer exorbitant hohen Verschuldung noch rechtzeitig zu disziplinieren, brauchen die Regierungschefs andere Instrumente als einen Stabilitätspakt voller Gummiparagrafen. Sie brauchen ein Europa, das endlich funktioniert."
Schluss mit der griechischen Farce
Athen hat den Bogen in den vergangenen Wochen überspannt, urteilt Alan Friedman in seinem Blog: "Athen hätte mehr Erleichterungen von Seiten Berlins und Brüssels erhalten können, hätte es nicht zur Waffe des verbalen Terrorismus gegriffen und dauerhaft unsinnige Drohgebärden gezeigt. Wer glaubt ernsthaft, dass die Drohung, Dschihadisten und Terroristen nach Deutschland zu schicken, hilft, mehr Geld von Europa zu bekommen? Oder dass es Griechenland in der Eurogruppe zugutekommt, wenn unentwegt die Nazis ins Spiel gebracht werden und eine Tilgung der Schulden als Ausgleich für die deutsche Besetzung Griechenlands vor 70 Jahren verlangt wird? Statt der billigen Komödie, die von Athen gespielt wird, bedarf es endlich ernsthafter Verhandlung zwischen Griechenland, der Troika und der Eurogruppe: über die weiteren Reformen, die Form und das Ausmaß der Umschuldung und die Frage, wie viel Geld Europa und der Internationale Währungsfonds noch geben können und wie lange sie das noch tun können."
Athen-Rettung wird teuer, ein Grexit noch teurer
Der Gipfel hat die Zwickmühle, in der die EU-Staats- und Regierungschefs stecken, erneut illustriert, analysiert der Brüssel-Korrespondent Cristian Unteanu auf dem Blog der liberal-konservativen Tageszeitung Adevărul: "Entweder liegt die Lösung darin, den Teufelskreis jetzt zu unterbrechen, oder darin, die Lage politisch zu tragen. Politisch inkorrekt ausgedrückt heißt das: Wir müssen entscheiden, ob wir Europäer zahlen, obwohl wir wissen, dass wir dabei finanziell verlieren. Doch halten wir Griechenland damit im System. Oder aber wir zahlen nicht und lassen andere Akteure unseren Platz einnehmen: zuallererst die Russen, aber auch China und einige arabische Staaten. … Tsipras weiß sehr wohl, dass ein Grexit dem europäischen Projekt und seiner Glaubwürdigkeit einen schrecklichen Schlag versetzen würde. Gerade jetzt, wo Europa unter dem Druck Russlands steht und versucht, eine Formel für eine Vereinheitlichung der Binnenmärkte zu finden. In der Folge heißt das, es muss eine Lösung gefunden werden, um die Glaubwürdigkeit zu retten."