Massendemonstration in Mazedonien
In Mazedonien hat die innenpolitische Krise einen neuen Höhepunkt erreicht. Zehntausende gingen am Sonntag in Skopje auf die Straßen und forderten den Rücktritt von Premier Nikola Gruevski. Die Unruhen kommen für Kommentatoren nicht überraschend. Sie sehen Mazedonien von seinen Nachbarn in die Ecke gedrängt und von der EU jahrelang vernachlässigt.
EU hat Mazedonien sträflich vernachlässigt
Die EU trägt eine Mitschuld an der Zuspitzung der Krise in Mazedonien, meint die linksliberale Tageszeitung Der Standard: "Die verschleppte Integration der südosteuropäischen Staaten in die EU und die Nato läuft nicht nur den ureigensten Interessen der Mitgliedstaaten und der gesamten Union entgegen. Sie schafft auch Unsicherheit, gerade auf dem Balkan, und sie hat Russland geradezu die Option eröffnet, in der Region wieder mitzumischen. Obwohl es gerade durch die Griechenland-Krise Möglichkeiten gegeben hätte, Athen im Namensstreit zum Einlenken zu bringen und Mazedonien vom Abrutschen in aggressiven Nationalismus zu bewahren, hat sich niemand engagiert. Nun will man die Regierung in Skopje damit bestrafen, dass die Beitrittsverhandlungen nicht mehr empfohlen werden. Man darf davon ausgehen, dass das diesem Regime mehr als wurscht ist."
Nachbarn manövrieren Land ins Abseits
Mazedonien steckt in der Krise, weil es von seinen Nachbarn über die Jahre hinweg ins Abseits manövriert wurde, erklärt die liberale Tageszeitung Večer: "Mazedonien ist 1991 - anders als die anderen ehemaligen Republiken Jugoslawiens - ohne Blutvergießen unabhängig geworden. Schon damals hielten das einige für ein schlechtes Zeichen. Die Auseinandersetzungen zwischen Mazedoniern und ethnischen Albanern sind erst Jahre später ausgebrochen und 2001 durch die Vermittlung der EU und das Ohrider Abkommen beendet worden. Doch schon zuvor war das Land dem Appetit der Nachbarländer ausgesetzt. Nicht nur, dass es weiterhin die Drohungen gibt, dass ein Großalbanien und ein Großserbien entstehen könnten. Auch die Nachbarländer, die zur EU und zur Nato gehören, haben ihre Ambitionen. … Griechenland hat seinem nördlichen Nachbarn bis heute nicht einmal das Recht auf den eigenen Namen zuerkannt. Seit 2005 kann Mazedonien deshalb keine Beitrittsverhandlungen mit der EU beginnen, 2008 konnte es nicht der Nato beitreten. Weil es so in die Ecke gedrängt wurde, ist Mazedonien langsam zum Niemandsland geworden."
Unruhen überfordern auch Bulgarien
Bulgariens Regierung erwägt, die Grenzübergänge zum Nachbarland Mazedonien wegen der Unruhen dort verstärkt zu überwachen. Nur eine Woche vor der Massendemonstration in Skopje war es in der nordmazedonischen Stadt Kumanovo zu Schießereien zwischen der Polizei und einer bewaffneten Gruppe gekommen. Bulgariens Reaktion ist lächerlich, findet die Tageszeitung Kapital: "Die Mazedonier würden genauso wenig nach Bulgarien flüchten, wie die Bulgaren nach Mazedonien. Solche dämlichen Maßnahmen belegen die totale Unfähigkeit des Staats, das Geschehen in den Nachbarländern zu analysieren und vorausschauend sowie angemessen zu handeln. ... Das größte Problem ist, dass Bulgarien nicht in der Lage ist, Mazedonien in Sachen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu helfen."