Kluft zwischen Arm und Reich immer tiefer
Die 62 reichsten Menschen der Erde besitzen genau so viel, wie die arme Hälfte der Weltbevölkerung. Dies geht aus einer aktuellen Studie der britischen Hilfsorganisation Oxfam hervor. Einige Kommentatoren fordern, Steueroasen auszutrocknen und Vermögen stärker zu besteuern. Andere halten das Wirtschaftssystem für zu komplex, um es gerechter zu machen.
Es ist jedes Maß verloren gegangen
Eine Debatte über Verteilungsgerechtigkeit fordert die linksliberale Tageszeitung Der Standard: "Nun ist es nicht neu, dass im Kapitalismus produktiv eingesetztes Vermögen, also Kapital, noch mehr Vermögen produziert und es deshalb eine natürliche Tendenz dazu gibt, dass Reiche immer reicher werden. Deshalb gibt es ja Steuern, um hier einen Ausgleich zu schaffen. Aber auf Basis der Oxfam-Daten wird klar, dass global jedes Maß verlorengegangen ist. Die Ausgleichssysteme versagen. Denn die meisten der Superreichen haben ihr Vermögen nicht in irgendwelchen diktatorisch regierten Ländern mithilfe unlauterer Methoden angehäuft. Im Gegenteil, sie profitieren von Erlösen und Wertsteigerungen ihrer Investments, besonders im Finanzsektor. ... Auch hier ist es also höchste Zeit für eine breite Debatte über Verteilungsgerechtigkeit. Die zwei zentralen Fragen dabei lauten: Wie kann man Steueroasen trockenlegen und Vermögen gerechter besteuern?"
Arme Menschen können nicht frei sein
Die Kluft zwischen Arm und Reich widerspricht den Menschenrechten und höhlt die Demokratie aus, klagt die linke Tageszeitung Avgi: "Diese grundlegende Ungleichheit vernichtet jeden Sinn der Menschenrechte. Angeblich - und dies ist auch einer der Grundwerte der europäischen Gesellschaften - sind alle Menschen 'frei und gleich an Würde und Rechten geboren'. Aber wie kann man frei sein, wenn man nichts zu essen hat? Und wie kann man Chancengleichheit gewährleisten, wenn Menschen einfach nur in der falschen Ecke der Welt geboren werden? ... Diese Ungleichheit hat auch andere Kollateralschäden. Das Funktionieren der Demokratie: Reichtum bedeutet Macht. Die Macht, Gesetze zu kaufen, die es erlauben, noch reicher zu werden, Steuern legal zu umgehen und Arbeitsbeziehungen je nach Belieben zu transformieren."
Auch Ökonomen sind mit ihrem Latein am Ende
Wie können wirksame Maßnahmen gegen die soziale Ungleichheit ergriffen werden, wenn selbst Wirtschaftsexperten nicht weiter wissen, fragt die liberale Tageszeitung La Libre Belgique kapitulierend: "Man sagt heute, dass die wirtschaftlichen Gegenmaßnahmen schlimmer als die Übel sind. Hohe Zinssätze wurden gefürchtet? Bleiben sie aber zu lange zu niedrig, nähren sie die nächste Finanzkrise. Was soll man tun? Die Zukunft den Experten anvertrauen! Selbstverständlich ist das keineswegs. Zwei Ökonomen hatten vorhergesagt, dass der Barrelpreis 2015 auf 380 Dollar steigen würde. Er ist unter 30 Dollar gefallen. Diejenigen, die den hohen Ölpreis kritisiert haben, erklären nun, dass günstiges Öl ebenso schädlich für die Weltwirtschaft ist. Aber zweifellos irren sich diese Experten auch dann, wenn sie das Gegenteil von dem behaupten, was sie ein Jahr zuvor gesagt haben."