Wer sühnt die Opfer des Eisernen Vorhangs?
Deutsche Historiker haben in Deutschland Strafanzeige gegen 67 Tschechen und Slowaken gestellt, die mutmaßlich verantwortlich sind für den Tod von Flüchtlingen an der früheren tschechoslowakischen Westgrenze. 30 Jahre nach dem Tod des Magdeburger Studenten Hartmut Tautz an der Grenze zu Österreich, als Soldaten Hunde auf ihn hetzten, die ihn zu Tode bissen, wurde bisher noch niemand angeklagt. Kommentatoren hoffen nun auf Gerechtigkeit.
Endlich müssen Urteile fallen
Hoffentlich kommt es nun endlich zu Verurteilungen, meint Mladá fronta dnes, nach der Strafanzeige der deutschen Historiker:
„Obwohl es Hunderte Tote an der Grenze gegeben hat, ist die Zahl der dafür Verurteilten bei uns an den Fingern einer Hand abzuzählen. Und niemanden stört das. ... Es wird interessant zu verfolgen, was aus der Anzeige in Deutschland wird. Die Deutschen haben schon vor langer Zeit die Verbrechen an ihrem Eisernen Vorhang gesühnt. Die Strafen für die hochrangigsten verantwortlichen Funktionäre wurden indirekt vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg bestätigt. Wir werden sehen, was jetzt passiert.“
Keine Gerechtigkeit für die Toten
Unmittelbar vor dem Jahrestag der Tötung von Hartmut Tautz bekam Luděk Navara, Redakteur der Mladá fronta dnes, von der Staatsanwaltschaft auf Anfrage bestätigt, dass keiner der Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurde und ihre Taten verjährt seien. Navara kommentiert:
„Wenn die tschechische Justiz nicht weiß, wie man mit den Toten an der tschechoslowakischen Grenze umgehen soll, muss man sich damit anders befassen. Es wäre gut, wenn das Problem der hunderten Toten entlang des Eisernen Vorhangs als gemeinsam zu lösendes begriffen würde. Vergessen wir nicht: Dieser Vorhang reichte vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer. Aber mit Ausnahme Deutschlands hat fast keine Justiz irgendwo anders etwas unternommen. ... Soll mit den drei unbefriedigenden Schreiben der Staatsanwaltschaft die Suche nach Gerechtigkeit und den Schuldigen enden? Die Toten hatten Verwandte, Menschen, die sie liebten. Die erhalten nicht mal eine Kopie der drei Schreiben.“
Grenzer handelten freiwillig
Die damaligen Grenzsoldaten sind sich bis heute keiner Schuld bewusst, bemerkt Dennik N bitter:
„Auf Menschen zu schießen oder Hunde auf sie zu hetzen, die auf Tötung ausgerichet sind, nur weil diese Menschen aus einer Diktatur ausbrechen wollen, war und ist ein Verbrechen. An der Schuld könnte es nur Zweifel geben, wenn es sich um Soldaten gehandelt hätte, die nicht freiwillig die Grenzer-Uniform getragen haben und denen eine Bestrafung wegen Befehlsverweigerung gedroht hätte. ... Doch die Offiziere trugen die Uniform freiwillig. Sie wählten für sich ein Leben voller Vorteile, die sie als Zivilisten nicht gehabt hätten. Dass sie nicht das Land und dessen Bevölkerung schützten, sondern einem verbrecherischen Regime dienten, störte sie nicht. Es verwundert nicht, dass diese Leute bis heute keine Schuld empfinden oder sich mit Gedächtnisverlust herausreden.“