G20 im Zeichen der Uneinigkeit
Terrorbekämpfung und Sicherheitspolitik, Handel und Klimaschutz: Das Programm für das G20-Treffen in Hamburg ist ambitioniert. Doch angesichts kaum verhehlter Differenzen glauben viele Journalisten nicht an einen Erfolg des Gipfels. Einige mutmaßen sogar, dass er das Ende der Nachkriegsordnung markieren könnte.
Abschottung gefährlicher als Terrorismus
Kann der G20-Gipfel die Nachkriegsordnung retten? El Mundo ist skeptisch:
„Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung und der Vereinten Nationen hat ergeben, dass die größten Gefahren für die Weltordnung nicht Nordkorea, Syrien, al-Qaida oder der Islamische Staat sind, sondern Nationalismus, Protektionismus und Strategien wie 'Mein Land zuerst'. Angesichts der Uneinigkeit der wichtigsten Teilnehmer wird der G20-Gipfel von Hamburg wohl nicht in die Geschichte eingehen, weil es dort all diese Herausforderungen gibt. Eher wird er für das Ende der US-amerikanischen Vorherrschaft stehen. Es besteht auch die Gefahr, dass alle Entscheidungen des Gipfels von den heiklen bilateralen Abkommen der sechs Großen verdrängt werden. ... Die sorgen sich eher um nationale Interessen und um Aufträge für ihre Großkonzerne als darum, die globale Agenda voranzutreiben.“
Hinterher kocht jeder wieder sein Süppchen
Auch Historiker Rui Tavares sieht in Público die Welt aus den Fugen geraten:
„Die Welt ist lediglich ein Spielzeug in den Händen des Jungen Donald, der im Moment etwas von den Raketen abgelenkt ist, mit denen der kleine Kim Jong-un in Nordkorea rumfuchtelt. Die heutige Welt hat es nicht bloß mit einer einzigen Spannungsquelle zu tun, sondern gleich mit mehreren. Jede Krise verhehlt eine andere und alle zusammen verbergen eine noch tiefere Krise: nämlich die des internationalen Systems, welches sich nach dem Zweiten Weltkrieg herausgebildet hat. ... Nachdem sie so getan haben, als hätten sie sich tatsächlich was zu sagen, werden die Anführer der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer wieder nach Hause fahren, um ihre Hausaufgaben zu machen. Einige werden die Regeln der internationalen Zusammenarbeit stärken - während andere die Inszenierung eigener Stärke fortsetzen werden.“
Kleine Länder brauchen klare Spielregeln
Anlass zur Sorge für Upsala Nya Tydning ist die aktuelle Führungsschwäche der USA auf dem internationalen Parkett:
„Trumps America-first-Parole soll die USA nicht wirklich isolieren, sondern setzt vielmehr auf eine Außenpolitik, die den amerikanischen Interessen passt und keine Rücksicht nimmt auf globale Institutionen oder internationale Konventionen. ... Ein naheliegender Ersatz für die USA als globaler Führer findet sich nicht, aber die liberale Weltordnung muss weiterhin verteidigt werden. ... Das G20-Treffen ist ein wichtiges Forum, da nicht weniger als 75 Prozent der Weltbevölkerung in einem G20-Land wohnen. Schweden ist indirekt durch die EU repräsentiert. Für die kleineren Länder ist es besonders wichtig, auf eine globale Ordnung zu drängen, die auf klare Spielregeln und internationale Zusammenarbeit setzt.“
Trump und Putin: Kein Raum für Annäherung
Gazeta.ru beschäftigt sich mit dem Aufeinandertreffen Trumps und Putins und glaubt nicht, dass es zu einer Annäherung zwischen Washington und Moskau kommen wird:
„Einerseits lastet auf Trump sein Wahlversprechen, von Putin Respekt zu erzwingen. Auf der anderen Seite steht der Verdacht, Trump habe heimlich mit Moskau kooperiert, um an die Macht zu kommen. Da macht es für ihn Sinn, den russischen Präsidenten zu Zugeständnissen zu drängen, um seine Unabhängigkeit von der 'Hand Moskaus' zu beweisen. Das Problem ist jedoch, dass Russland nicht bereit ist, den USA in einer einzigen, für beide Seiten wichtigen Frage zu folgen. Der Konflikt beider Staaten ist nicht durch das persönliche Verhältnis zweier Politiker, sondern durch objektive Probleme der Weltordnung nach dem Kalten Krieg vorbestimmt. Entsprechend ist es naiv zu glauben, dass ein Treffen solche starken Symptome wie Sanktionen beseitigen kann.“
Gespräche mit den USA sind Mühe nicht wert
Weitreichende Beschlüsse sind vom G20-Gipfel nicht zu erwarten, fürchtet die Frankfurter Rundschau:
„Das liegt, natürlich, und vor allem, an Donald Trump. Dass der in Hamburg dem anvisierten G20-'Klimaaktionsplan' zustimmen wird, ist höchst unwahrscheinlich, obwohl etliche wichtige Punkte auf Druck Washingtons aus dem Dokument getilgt wurden, etwa das baldige Aus für die fossilen Subventionen. … Jeder Versuch, Trump beim Klima einzubinden, ist der Mühe nicht wert. Die Chance, den fossilen Präsidenten umzustimmen, der Paris bereits in die Tonne getreten hat, ist gleich null. Besser, 19 Staaten verabschieden ein gutes Dokument und 'Trump’s Own Country' schert aus, als dass 20 nur heiße Luft absondern.“
Trumps Eskapaden machen neue Achsen notwendig
Weil die USA sich aus allen weltpolitischen Verpflichtungen zurückziehen, müssen die übrigen G20-Staaten versuchen, einzuspringen, meint auch Der Standard:
„Werden sie die Regeln für internationale Zusammenarbeit weiter befolgen oder dem Beispiel Trumps folgen und nur kurzfristige nationale Interessen verfolgen? Ein solches Verhalten ist Politikern wie Wladimir Putin, Xi Jinping oder auch Theresa May nicht fremd. Allerdings wissen sie, dass die Unberechenbarkeit der US-Politik jede einzelne Provokation in der Welt noch viel gefährlicher macht. Bilden sich unter den G20-Staaten über die Achse Merkel-Macron hinaus weitere konstruktive Allianzen, dann sind Trumps Eskapaden wohl verkraftbar. Andernfalls stehen die globalen Zeichen auf Sturm.“
Großbritannien muss Verbündete in Europa suchen
Bei seiner Europatour vor dem G20-Gipfel dürften Trump ganz unterschiedliche Reaktionen entgegenschlagen, glaubt The Guardian:
„Eine Warnung in Deutschland, ein herzliches Willkommen in Polen und eine zweideutige Freundschaftsdemonstration in Frankreich - all das kommt zu einer Zeit strategischer Verwirrung in den USA, die Signale aussenden, dass alte Verbündete nicht mehr wirklich geschätzt werden. Die britische Regierung sollte nicht den Fehler begehen anzunehmen, dass sie davon profitieren könnte. Das Interesse Großbritanniens und aller anderen in Europa muss darin bestehen sicherzustellen, dass die schädlichen Folgen der Trump-Politik abgemildert werden. Was wir brauchen, sind Einheit und Entschlossenheit - nicht Jammern und Mauscheln.“