Welt will Klimawandel bremsen
Zum Ende der UN-Klimakonferenz in Paris haben sich 196 Staaten darauf geeinigt, die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen zu wollen. Einige Kommentatoren feiern das Abkommen als Meilenstein und loben das globale Dorf für seine Einsicht. Andere kritisieren, dass Wirtschaftsvertreter nicht mit am Tisch saßen und dem Kompromiss jede Verbindlichkeit fehlt.
Zauber von Paris liegt in der Freiwilligkeit
Von zeitgemäßer Verhandlungskunst zeugt der in Paris erreichte Kompromiss für die konservative Tageszeitung Die Welt: "Innovativ zu sein, die Lebensverhältnisse zu verbessern, ist immer schon Antrieb der Menschheit gewesen. Das gilt für die Wissenschaft und natürlich auch für den Kapitalismus, diesen großen Ermöglicher. All die Katastrophisten, die vor dem Untergang warnen, glauben, sie hälfen der 'guten Sache' mit fast totalitären Maßnahmen. Doch das moderate Denken, Schlimmeres zu verhindern, ist wirkmächtiger. Daraus ist am Ende eine Volonté générale, ein gemeinsamer Wille, entstanden. Das ist der Zauber von Paris. Er betont das Prinzip der Freiwilligkeit. Statt auf Sanktion, verlässt man sich nun auf freiwillige Selbstkontrolle. Ein Zeichen nicht der Schwäche, sondern der Reife."
Das globale Dorf hält zusammen
Das Pariser Klimaabkommen hat eine große Strahlkraft, findet die Regionalzeitung La Tribune de Genève: "Der gesteckte Rahmen ist zu begrüßen, auch wenn er in einigen Bereichen und was die Instrumente betrifft unzureichend ist. Dazu zählt unter anderem die Tatsache, dass Maßnahmen für den Verkehr fehlen. Doch die Signalwirkung ist enorm und die schnelle Reaktion von 13 Autobauern bezüglich der Kohlenstoffemissionen zeugen von einer echten Problemerkenntnis. Angesichts der globalen Bedrohung durch den islamischen Pseudostaat hat das Signal eines universellen Bündnisses eine umso stärkere Wirkung. Die Erdbewohner in ihrem globalen Dorf, in dem alle vernetzt sind, zeigen, dass sie gemeinsam leben - oder zumindest überleben - wollen."
Nur ein diplomatischer Scheinerfolg
Dem Klimaabkommen fehlt es an Substanz, klagt die liberal-konservative Tageszeitung Die Presse: "Erstmals hätten sich reiche und arme Länder verpflichtet, den Klimawandel zu bekämpfen. Das klingt gut, richtig gut sogar. Es ist nur leider nicht ganz wahr. In Paris haben zwar alle Staaten unterschrieben - sonderlich schwer war die Übung aber nicht. Das Pariser Abkommen hat zu wenig Substanz, um sein eigenes Ziel zu erreichen, die Erderwärmung mit weniger als zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist enorm. Von einer Pflicht zum Klimaschutz für alle kann keine Rede sein. Genau mit dieser Unverbindlichkeit haben sich die Verhandler den diplomatischen Scheinerfolg im Vorfeld erkauft. Seit der Klimakonferenz in Kopenhagen ist klar, dass fortan jedes Land selbst entscheiden darf, ob, wann und wie viel Treibhausgasemissionen es reduziert."
Wer die Opfer bringen muss, bleibt unklar
Dass am Verhandlungstisch die wichtigsten Partner fehlten, bedauert die liberale Tageszeitung La Stampa: "Die Verhandlungsrunde in Paris war schlecht zusammengestellt. Auf der einen Seite hätten die Vertreter der Regierungen, auf der anderen die der Wirtschaft sitzen müssen. Unternehmen, branchenspezifische Hersteller und auch Arbeitnehmerverbände. … Leider waren aber nur Regierungen mit ihrem bürokratischen Gefolge zugegen. Doch um sicherzustellen, dass die Perspektiven auch kurzfristig tragbar sind, müsste mit der Reduzierung der Treibhausgasemissionen ein Rückgang des Wachstums in Kauf genommen werden. … Doch sind wir völlig ratlos, wer die Kosten eines umweltfreundlicheren Wachstums tragen soll. Zu diesem Punkt wurde in Paris nichts Genaues gesagt."
Klimawandel wird endlich nicht mehr geleugnet
Was sich seit der gescheiterten Klimakonferenz in Kopenhagen alles verändert hat, erklärt die liberale Tageszeitung Sme: "195 Staaten fanden zu einer Vereinbarung, die den Anstieg der Erderwärmung nicht nur unter die magische Grenze von zwei Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts drückt, sondern sogar auf nur 1,5 Grad. Und mehr als 180 Staaten stellten ihre eigenen nationalen Klimaziele vor. ... Der wichtigste Punkt ist der, dass das Problem der globalen Erwärmung als solches anerkannt wurde. ... Im Vergleich zu Kopenhagen 2009 hat sich viel verändert. Erneuerbare Energien sind kein subventioniertes technologisches Spielzeug mehr, sondern ein konkurrenzfähiger Sektor. 'Ökologisch' ist kein Gegensatz mehr zu 'wirtschaftlich'. Und am stärksten hat sich die Einstellung der Menschen und der Politiker zum Klima verändert. Bleibt die Frage, ob damit schnell genug auf den Klimawandel reagiert werden kann."