Sicherheitslücke bei Estlands elektronischen IDs
Estland gilt in der EU als Musterschüler in Sachen Digitalisierung. Fast alle Esten besitzen einen elektronischen Personalausweis, der es beispielsweise erlaubt, online Rechtsgeschäfte abzuwickeln oder zu wählen. Jetzt wurde eine Sicherheitslücke bekannt, die fast 750.000 ID-Karten betrifft. Estlands Zeitungen diskutieren, was dies für die kommenden Wahlen und das Image des Landes bedeutet.
Kann man noch elektronisch wählen?
Eesti Päevaleht blickt vor allem mit Sorge auf die bevorstehenden Kommunalwahlen:
„Die Wahlen, für die der elektronische Urnengang schon vom 5. bis 11. Oktober stattfinden sollte, vergrößern das Problem. Die von ausländischen Wissenschaftlern entdeckte Sicherheitslücke ist eher klein. Sie auszunutzen wäre kostspielig und so ist dies bisher auch nicht passiert. Aber welche auch nur theoretische Möglichkeit eines Hacker-Einflusses auf die Wahlen darf man akzeptieren? ... Wenn die e-Wahl trotz einer bestehenden Sicherheitslücke stattfindet, liefert das einen guten Grund, die Wahlergebnisse anzuzweifeln. ... Darüber, wie schlecht eine Absage der e-Wahl fürs Image wäre, kann man streiten. Klar ist indes, dass sich dadurch die Chancen verschiedener politischer Kräfte verändern würden und die Wahlbeteiligung sänke. 2015 wurde ein Drittel der Stimmen elektronisch abgegeben.“
Unser guter Ruf steht auf dem Spiel
Äripäev sorgt sich um das Image Estlands als Vorreiter der Digitalisierung:
„Verständlicherweise steht Estland mit diesem Thema nun weltweit im Fokus. Einerseits ist das gut, denn so werden Kräfte mobilisiert, um schnell langfristige Lösungen zu finden. Andererseits ist die Entdeckung der Sicherheitslücken ein Schaden fürs Ansehen. ... Im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft lädt Estland die Staats- und Regierungschefs am 29. September nach Tallinn zu einem Digitalgipfel. Er wäre ein Anlass, die Rolle Estlands als Wegbereiter der Digitalisierung in Europa zu untermauern. Nun müssen wir stattdessen erklären, wie wir die Krise bewältigen. Es bleibt abzuwarten, ob Estland dieses Problem in eine Erfolgsgeschichte wenden kann, wie nach dem Cyber-Angriff 2007.“