Ungarn: LGBT-Verbot durch Verfassungsänderung?

Die Geschlechtertrennung in Mann und Frau wird in der ungarischen Verfassung verankert. Das entschied die Regierungsmehrheit im Parlament. Außerdem bekommt das Recht des Kindes auf angemessene körperliche, geistige und moralische Entwicklung Vorrang vor anderen Grundrechten. Kritikerinnen und Kritiker befürchten, dass mit dieser Bestimmung das Versammlungsrecht eingeschränkt und zum Beispiel Pride-Paraden verboten werden könnten.

Alle Zitate öffnen/schließen
Magyar Hang (HU) /

Falscher Satz am falschen Ort

Der Verfassungszusatz "Der Mensch ist ein Mann oder eine Frau" ärgert Magyar Hang – formell und inhaltlich:

„Solche Feststellungen haben in der Verfassung nichts zu suchen. Sonst könnten auch Hunderte anderer vermuteter oder tatsächlicher Fakten, richtiger oder falscher Definitionen in der Verfassung verankert werden. ... [Wissenschaftlich gesehen] ist die bipolare Struktur des Geschlechts eher eine plastische kulturelle These als eine universelle und ewige Gegebenheit. Das hindert die Politik natürlich nicht daran, die Themen biologisches und soziales Geschlecht und Geschlechtervielfalt im ideologischem Kampf als Waffe in der öffentlichen Debatte einzusetzen und damit das eigene Lager zu mobilisieren. Aber man sollte doch keinen Unsinn in die Verfassung schreiben.“

Magyar Nemzet (HU) /

Bevölkerung vor westlicher Agitation schützen

Die regierungsnahe Magyar Nemzet verteidigt die Entscheidung:

„Dass der Pride-Marsch verboten worden wäre, trifft in dieser Form nicht zu. Es ist jedoch wahr, dass die ungarische Regierung vehement, auch mit rechtlichen Mitteln, gegen die Propaganda kämpft, die permanent aus dem Westen einzudringen versucht und die darauf abzielt, Minderjährige für sexuelle Minderheiten zu sensibilisieren. Das Problem ist, dass es dabei nicht nur um Sensibilisierung geht, sondern vielmehr um Ermutigung. ... Wer von Ungarn in Richtung Westen reist, sieht klar, worum es geht: um bewusste Agitation. Und die Verfassungsänderung ist gegen genau solche Propaganda gerichtet und nicht gegen Homosexuelle.“

The Irish Times (IE) /

Die EU muss dagegen klagen

The Irish Times hofft auf ein Einschreiten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH):

„Ungarn ist hier bereits in einem anderen Fall von der EU-Kommission wegen des 'Kinderschutzgesetzes' von 2021 angeklagt. Das Gesetz zensiert Sexualerziehung, setzt LGBTQ+-Lebensweisen mit Pädophilie gleich, blockiert gleichgeschlechtliche Adoptionen und schränkt Medien- und Werbeinhalte ein. Orbans eskalierender Kulturkampf gegen die LGBTQ+-Gemeinschaft und dem von ihm so bezeichneten 'Genderwahn' haben wenig mit der Sorge um Kinder zu tun, sondern mit dem Bedürfnis, vor den Wahlen 2026 einer aufstrebenden Oppositionsbewegung entgegenzutreten, indem er sich die Unterstützung der extremen Rechten sichert. Die EU muss entschlossen beim EuGH dagegen vorgehen.“