Kataloniens Separatisten bekommen Gegenwind
In Barcelona haben Hunderttausende Menschen am Sonntag für die Einheit Spaniens demonstriert – unter dem Motto „Es reicht! Lasst uns zur Vernunft zurückkehren“. Indes haben angesichts drohender Rechtsunsicherheit nach einer möglichen Unabhängigkeitserklärung katalanische Banken und Großunternehmen beschlossen, ihren Firmensitz in andere spanische Städte zu verlegen. Wendet sich für Kataloniens Separatisten das Blatt?
Angst vor einem rechtsfreien Raum
Über die Entscheidung von Banken und Großunternehmen sind die Katalanen zu recht geschockt, glaubt El Mundo:
„Der Auszug der bedeutendsten und angesehensten Unternehmen hat die katalanische Gesellschaft erschreckt und den ungleichen Block der Separatisten gespalten. Zu - unter anderem - Sabadell, CaixaBank, Gas Natural und Aguas de Barcelona kommen heute möglicherweise noch Abertis und weitere Konzerne hinzu, die sich nicht der Gefahr aussetzen wollen, dass Puigdemont die Unabhängigkeit ausrufen könnte. Das Risiko, in einem rechtsfreien Raum gefangen zu sein, der von einer Regierung kontrolliert wird, die unter den Fuchteln des antikapitalistischen Koalitionspartners CUP steht, zwingt die Unternehmen dazu, Katalonien zu verlassen.“
Wirtschaftsinteressen stiften Frieden
Katalonien könnte aus wirtschaftlichem Interesse bei Spanien bleiben, überlegt Libération:
„Vielleicht ist die Wirtschaft das beste Mittel, um die zerstrittenen Völker zur Vernunft zu bringen, besser als Diplomatie und die Macht der Polizei oder des Militärs? Die kommenden Tage werden es zeigen, aber was sich letzte Woche in Katalonien abgespielt hat, ist sehr erhellend. Vor einer Woche fühlte sich der katalanische Anführer Carles Puigdemont elektrisiert von den Pro-Unabhängigkeits-Demonstrationen. ... Aber es genügte, dass Banken und Unternehmen die Alarmglocke läuten und vor dem Hintergrund eines Absturzes an der Börse damit drohen, Katalonien zu verlassen, damit sich das Gleichgewicht verkehrt. Plötzlich fühlten sich die Unabhängigkeits-Gegner (laut Umfragen in der Mehrheit) berechtigt, aufzubegehren.“
Die Mehrheit bricht ihr Schweigen
Dass nun die schweigende Mehrheit von sich hören lässt, muss ernst genommen werden, mahnt De Morgen:
„Immer wenn politische Stümperei den Kern ihrer Lebensart bedroht, dann formiert sich die schweigende Mehrheit zum Aufstand. ... In Spanien distanziert sie sich vor allem von den Führern, die das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Gemeinschaften und Kulturen in Spanien aufs Spiel setzen. Man kann als politischer Führer auf zwei Arten reagieren: Entweder umarmt man die schweigende Mehrheit und strebt eine realistische, gemäßigte Lösung an, die das nationale Gemüt wieder beruhigt. Oder man spielt weiter mit dem Feuer und dann werden die Schweigsamen von Tag zu Tag wütender und weniger schweigsam.“