Zoff über Weihnachtsbaum in Estland
In der estnischen Kleinstadt Rakvere streiten sich Künstler, Bürger und Politiker um die Gestaltung des Weihnachtsbaums am Marktplatz. Statt der innovativen Installationen der vergangenen Jahre will die neue Regierungskoalition des Ortes wieder zu Tanne und traditionellem Baumschmuck zurückkehren. Politiker sollten sich nicht aus falschem Traditionsbewusstsein in die Kunst einmischen, kritisieren estnische Medien.
Mutige Innovation brachte der Stadt Bekanntheit
Der Verzicht auf die originellen Weihnachtsinstallationen wäre für die Stadt ein echter Verlust, bedauert Postimees:
„Rakvere läuft Gefahr, auf eine Marke zu verzichten, die der Stadt internationale Aufmerksamkeit einbrachte. Mancher Politiker begründet die Entscheidung mit christlicher Tradition, obwohl der Weihnachtsbaum eigentlich heidnischen Ursprungs ist und das Neue Testament keine Verbindung zwischen Jesu Geburt und einem Baum herstellt. Es ist falsch anzunehmen, dass man die Gegenwartskunst nur mit einem besonderen Wissen verstehen kann - das war die Voraussetzung der klassischen Kunst, die auf Symbolismus, Mythos und historischen Ereignissen beruhte. Zeitgenössische Kunst spielt sich in der Rezeption des Betrachters ab. Dasselbe gilt bei der Weihnachtsinstallation in Rakvere: Jeder darf sie wahrnehmen, wie er will.“
Überlasst die Kunst den Künstlern
Die Gestaltung des Weihnachtsbaums von Rakvere im Koalitionsvertrag der Kommune festzulegen, hält Maaleht für einen Holzweg:
„Dann ist es nicht mehr weit, bis man den Spielplan für das Theater in Rakvere bestimmt oder [dem Komponisten] Arvo Pärt die Noten für seine neuen Stücke vorschreibt, damit sie auch ja jedem Wähler, jedem Steuerzahler gefallen. ... Sollen der Pöbel schreien, die Tüchtigen weiter ihre Arbeit leisten und die Kreativen ihre Werke schaffen. Man könnte den Streit um den Baum heute auch so betrachten, wie es der Künstler [und bisherige innovative Baumgestalter] Teet Suur am Anfang tat: Es geht nicht nur um ein außergewöhnliches Kunstwerk auf dem Hauptplatz von Rakvere, sondern um eine Inszenierung, an der alle Betrachter samt ihrer Emotionen beteiligt sind. Vor dem triumphalen Höhepunkt spielt sich vor den Augen der Zuschauer jetzt gerade ein tragisches Interludium ab.“