Saakaschwili-Anhänger auf den Barrikaden
Nach zwei gescheiterten Versuchen, den ukrainischen Oppositionellen und früheren georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili festzunehmen, steigt in Kiew die Anspannung. Demonstranten versammeln sich in einem Zeltlager vor dem Parlament, bei Ausschreitungen wurden Polizisten und Saakaschwili-Anhänger verletzt. Kommentatoren glauben, dass sich am Konflikt zwischen Staatsmacht und Saakaschwili ein neuer Aufstand entzünden könnte.
Auf dem Maidan braut sich wieder was zusammen
Die gescheiterte Festnahme Michail Saakaschwilis könnte einen Wendepunkt für die seit Oktober dauernden Proteste in Kiew markieren, meint Journalist Illja Fedossjejew in Den:
„Mit der Festnahme und anschließenden Befreiung Michail Saakaschwilis hat die Entwicklung ein neues Stadium erreicht. Mag sein, dass die Opposition albern, dumm und für niemanden interessant ist. Allerdings nur so lange, wie die Staatsmacht ihr gegenüber keine Gewalt anwendet. Denn Gewalt gebiert immer Gegengewalt. Den Euromaidan hätte es ja auch nicht ohne die [Polizeieinheit] Berkut gegeben. Der Platz vor dem Parlament blieb [zuletzt] für anderthalb Monate leer. Doch als der Autor dieser Zeilen ihn am Abend des 5. Dezembers aufsuchte, sah er nicht wenige Menschen, die äußerst entschlossen wirkten.“
Das Mobilisierungspotenzial ist da
Mit seinem Kampf gegen die Korruption könnte Michail Saakaschwili die Ukrainer am Ende doch auf die Straße treiben, glaubt Blogger Pierre Haffner auf Mediapart:
„Die Konfrontation scheint derzeit aus einem Konflikt zwischen zwei Personen zu bestehen. Michail Saakaschwili vertritt eine Minderheit der öffentlichen Meinung, obwohl das von ihm aufgegriffene Thema großes Mobilisierungspotential hat. Die Jahre unter Poroschenko erscheinen wie verlorene Jahre. Saakaschwili könnte es gelingen, von den kommenden Entwicklungen zu profitieren und die Öffentlichkeit hinter sich zu versammeln und die Hoffnungen des Maidan neu aufleben zu lassen - vorausgesetzt, dass er und seine 'Bewegung neuer Kräfte' den nächsten Belastungsproben standhalten.“
Anhänger sind wild entschlossen
Saakaschwili bringt die ukrainische Politik gehörig in Aufruhr, erklärt Politologe Wolodymyr Fessenko in der Wochenzeitung Nowoje Wremja:
„Worin besteht das Problem für die Staatsmacht? Der Ex-Gouverneur [Saakaschwili] hat, wenn auch keine große, so doch eine merkliche Zahl hyperaktiver Anhänger, die zu entschiedenen Handlungen bereit sind. Es sind nicht viele Leute, einige Hundert [in Kiew], im Land etwas mehr. Wie wollen sie vorgehen? Werden sie gewaltsame Handlungen gegen die Regierung unternehmen? Alles ist möglich. Somit ist nahezu sicher, dass sich die Beziehungen zwischen der ukrainischen Staatsmacht und einem Teil der Opposition verschärfen.“
Moskau wird den Konflikt ausnutzen
Vor weiteren Folgen des Kräftemessens zwischen Poroschenko und Saakaschwili warnt in Rzeczpospolita der frühere Moskau- und Kiew-Korrespondent Andrzej Łomanowski:
„Der Konflikt zwischen den Regierenden in Kiew und Michail Saakaschwili könnte sogar erheiternd sein, wenn er nicht das Bestehen des ukrainischen Staats gefährden würde. ... Beide Seiten sollten für das Wohl des Staats sofort diesen politischen Streit beenden und voneinander ablassen. ... Stattdessen machen sie weiter und treffen Entscheidungen, die schwer wieder rückgängig zu machen sind, und die ihr gemeinsamer Gegner in Moskau schon sehr bald auszunutzen beginnen wird.“
Washington hat seine Hände im Spiel
Für Wladimir Sharichin, Vizedirektor des Moskauer GUS-Länder-Instituts, riechen die gestrigen Szenen in Kiew nach einer Einflussnahme von außen. In Moskowski Komsomolez schreibt er:
„All dies passiert, weil dieser Staat abhängig ist. Irgendjemand bremst ihn. Und dieser Jemand sitzt nicht in Moskau, sondern in einer anderen Hauptstadt, auf einem anderen Kontinent. Mir scheint, diese nur auf den ersten Blick witzigen Ereignisse können ernsthafte Folgen für die Ukraine haben. Poroschenko ist ein 'prodemokratischer' Präsident, der sich an der demokratischen Partei der USA orientierte. Doch Hillary Clinton hat die Wahl verloren, und jetzt braucht jemand in Washington einen anderen, 'prorepublikanischen' Präsidenten. ... Das muss nicht unbedingt Saakaschwili sein - er kann auch nur seine Aufgabe erfüllen und dann gehen.“