Ukraine will eigene orthodoxe Kirche
Präsident, Parlament und zwei der orthodoxen Kirchen der Ukraine haben den Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus I. von Konstantinopel um die Gewährung der Autokephalie gebeten. Diese stellt die Erlaubnis dar, eine eigene, vom Moskauer Patriarchat unabhängige Kirche zu schaffen. In den Medien der Ukraine und Russlands wird das Thema hitzig debattiert.
Moskau würde weiteren Einflusshebel verlieren
Auf den Erfolg der Initiative hofft Walentyn Torba in Den:
„Natürlich bewerten viele das Vorgehen des Präsidenten als Wahlkampfmanöver. Einige Politiker sprachen sogar scherzhaft von der Möglichkeit der 'Vergebung der Sünden' Poroschenkos, wenn die ukrainische Kirche sich wirklich dem Moskauer Patriarchat zum Trotz vereint. Doch hoffen wir trotzdem, dass nach dem Appell an den Ökumenischen Patriarchen mit der Bitte um Gewährung der Autokephalie für die orthodoxe Kirche in der Ukraine Moskau einen weiteren Einflusshebel auf unserem Gebiet verliert. Für die Ukrainische Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats freilich bedeutet dies ein ernstes Problem, da sich bereits eine Spaltung unter den Kirchgängern abzeichnet.“
Gewöhnlicher Opportunismus
Ex-Diplomat Bohdan Jaremenko hingegen unterstellt in Nowoje Wremja den Verfechtern einer ukrainischen Landeskirche prinzipienloses Taktieren:
„In der modernen Publizistik im Westen wird Opportunismus überhaupt nicht mit Leninisten, den Bolschewiki und dieser ganzen Pest in Verbindung gebracht. Stattdessen bezeichnet man so die Versuche von Politik, die nicht einem strategischen Plan folgt, sondern einfach nur die Chancen, die sich im Lauf der Zeit ergeben, maximal ausnutzt - unabhängig von dem, was der Handelnde wirklich will. Sehr oft wird in diesem Sinne Putin Opportunist genannt. Ich denke, dass Petro Poroschenkos jüngstes Kirchenabenteuer mit der Autokephalie gewöhnlicher Opportunismus ist.“
Kirchenspaltung vertieft nur die Gräben
Iswestija beobachtet das Bestreben der ukrainischen Seite besorgt:
.„Erstens vertieft es die Spaltung in der ukrainischen Orthodoxie und belastet das interkonfessionelle Verhältnis im Land. Seit 2014 sind über 50 Kirchen der dem Moskauer Patriarchat unterstehenden Ukrainischen Orthodoxen Kirche besetzt und gewaltsam den Kirchenspaltern übergeben worden. Dutzende Priester wurden verjagt und Opfer von Gewalt, viele von ihnen waren gezwungen, die Ukraine zu verlassen. Und zweitens wird die Kiewer Staatsführung - die die Strategie der Trennung der Ukraine von Russland verfolgt - ein solches Ereignis als taktischen Sieg im Kampf gegen die Einheit der russisch-orthodoxen Zivilisation feiern. Eine vom Patriarchen von Konstantinopel gewährte Autokephalie wird eine weitere Trennlinie zwischen der Ukraine und Russland und den Völkern beider Länder bedeuten“