Kritik an Sport-Kopftuch: Decathlon knickt ein
Rückzieher bei Decathlon: Der Sportausrüster wollte in Frankreich ein Jogging-Kopftuch für muslimische Sportlerinnen anbieten. Nach heftiger Kritik unter anderem aus der Politik gab das Unternehmen am Dienstag bekannt, auf den Verkauf zu verzichten. Kurz zuvor hatte es das Kleidungsstück noch verteidigt. Französische Kommentatoren sind betreten, dass die Emotionen in der Debatte dermaßen hochkochen.
Armutszeugnis für Frankreichs Debattenkultur
Redaktionsleiterin Natascha Polony wünscht sich in Marianne eine weniger emotionsgeladene und offene Diskussion:
„Ist es nicht legitim, dass ein Teil der Bevölkerung auf das Auftauchen eines solchen Accessoires geschockt reagiert, wie es bereits beim Burkini der Fall war? Das ist doch das eigentliche Thema, über das wir diskutieren sollten. Es ist bestürzend, dass diese Art von Ereignis zu einem Aufbranden von Hass und Rassismus führt. Es ist erschreckend, dass Decathlon das Produkt wegen Bedenken hinsichtlich der Sicherheit seiner Angestellten zurückgezogen hat. Und die üblen Dummheiten, die die sozialen Netzwerke überschwemmen, haben ein einziges Resultat: Sie erlauben es, dass jeder, der gegen die zunehmende Verbreitung des Kopftuchs ist, als widerlicher Rassist abgestempelt wird. Na toll.“
Sportlich, hip und gläubig? Das geht nicht!
Eine Sportlerin im Kopftuch, das können die Franzosen offenbar nicht ertragen, beobachtet Claude Askolovitch in Slate:
„Das Kopftuch einer Putzfrau stellt nicht die bourgeoise Weltordnung infrage, das einer Mutter auch nicht. ... Aber beim Jogging-Hijab von Decathlon handelt es sich nicht um das gleiche einfache Kopftuch. Er ist eine Aggression selbst für die freundlichsten Bürgerinnen und Bürger. ... Er ist das Kopftuch einer Frau, die ihren Körper so formt, dass er zu einem potenziellen Objekt der Begierde des konditionierten Mannes wird, gesund und durchtrainiert. Eine Frau, die ihre Haare bedeckt, sonst aber modern ist, zeitgenössisch, zwar verschwitzt, aber fröhlich und hip. Sehen Sie, das geht eben nicht. Eine Kopftuch tragende Frau kann nicht cool sein. Eine Gläubige, die ihre Haare versteckt, kann nicht cool sein. Das Kopftuch kann nicht cool sein.“
Die Laizität wird beleidigt
Wieder einmal zeigt sich Frankreich intolerant, kritisiert Schriftstellerin Ikram Ben Aissa in La Libre Belgique:
„Es geht hier um mehr als nur um verschiedene Ansichten und das beliebte Thema Meinungsfreiheit. Wir sprechen von Drohungen - der Marke und ihren Angestellten gegenüber - in den sozialen Netzwerken, um publizierte Äußerungen der Intoleranz und des Hasses. Sogar die Ministerin für 'Solidarität und Gesundheit' schrieb, dass es ihr 'lieber wäre, wenn eine französische Marke keine Werbung für das Kopftuch machen würde'. Ist das etwas, was eine Ministerin sagen sollte? ... Die Republik beleidigt wieder einmal die Laizität und macht sich lächerlich, was die Menschenrechte und die individuelle Freiheit angeht!“
Was in USA gelobt wird, verschreckt in Frankreich
De Morgen ist von der hitzigen Debatte um das Sport-Kopftuch nicht überrascht:
„Es ist eine typisch französische Diskussion, die man nicht trennen kann von der Laizität, dem typisch französischen Säkularismus. Mehr als in anderen westlichen Ländern gilt religiöse Kleidung als Statement, das den republikanischen Werten widerspricht. Es ist bezeichnend, dass das US-amerikanische Unternehmen Nike, als es 2017 den 'Hijab Pro' auf den Markt brachte, dafür vor allem gelobt wurde. Was in den USA als ein Instrument gesehen wurde, um Sport für Minderheiten zugänglicher zu machen, wird in Frankreich als frontaler Angriff auf französische Normen und Werte empfunden.“