Nach Niederlage: AKP will Neuwahl in Istanbul
Die AKP hat beim Hohen Wahlrat (YSK) eine Wiederholung der Bürgermeisterwahl in Istanbul beantragt. Zuvor hatte dieser den Antrag auf eine vollständige Neuauszählung der Stimmen abgelehnt. Erdoğans Partei hatte in der Stadt Ende März äußerst knapp gegen den Oppositionskandidaten von der CHP verloren und spricht nun von Wahlbetrug. Die mediale Debatte über den Streit präsentiert sich gewohnt aufgeladen.
Wird die Türkei endgültig zur Scheindemokratie?
Die Manöver der Regierungspartei sind ein Prüfstein für die türkische Demokratie, warnt Birgün:
„Wenn die Opposition eine Wiederholung der Wahl akzeptieren sollte, wäre das ein Zeugnis sowohl für eine realpolitische Erblindung, als auch für eine Prinzipienlosigkeit hinsichtlich demokratischer und moralischer Werte! ... Falls nicht anerkannt werden sollte, dass die Opposition Istanbul gewonnen hat - und zwar trotz extremem Druck durch die Regierung und in Folge eines Prozesses, der bei weitem nicht gerecht war - und falls eine Wiederholung der Wahl beschlossen werden sollte, dann gehört die Türkei endgültig in die Kategorie der totalitären Staaten, die nur Scheinwahlen abhalten. Ihre jetzige Krise wird sich dann noch weiter verschärfen!“
Dreiste Einschüchterung von Seiten der CHP
Ein CHP-Abgeordneter hat die YSK aufgefordert, keine politische, sondern eine juristische Entscheidung zu treffen. Das kritisiert die regierungstreue Tageszeitung Star:
„Man muss unverzüglich die Immunität dieser Person aufheben und sie vor Gericht zur Rechenschaft ziehen. Was soll das heißen, 'Man wird euch auf der Straße ins Gesicht spucken'? Solche Worte sind unbegreiflich. Selbstverständlich werden die respektablen Mitglieder der YSK sich von dieser Drohung nicht einschüchtern lassen. Sie werden eine Beeinflussung ihrer Entscheidung nicht zulassen, nur weil ein paar Unverschämte ihren Mund nicht halten. Allerdings wird der Entscheidung des Wahlrats nun so oder so ein Beigeschmack anhaften. Wenn beispielsweise die YSK einen Beschluss zur Zufriedenheit der CHP fällt, wird dann nicht manch einer fragen: 'Haben die sich etwa einschüchtern lassen?'“
Das letzte, was das Land jetzt braucht
Abermals unruhige Zeiten wittert NRC Handelsblad:
„Der verbissene Versuch, die Wahl zu annullieren, führt zu großen Verwerfungen innerhalb der AKP und Spannungen zwischen der AKP und der MHP, die Erdoğan zu einer Mehrheit im Parlament verhilft. Dies zeigt, was für ein schwerer Schlag der Verlust von Istanbul ist. 25 Jahre, nachdem Erdoğan Bürgermeister wurde, ist das wirtschaftliche und finanzielle Machtzentrum nicht mehr in den Händen der Islamisten. Die säkulare Opposition gewann auch in der Hauptstadt Ankara und anderen wichtigen Städten im Westen. ... Monate politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit und möglicherweise sogar sozialer Unruhen, sind das letzte, was die Türkei braucht. ... Aber die Türkei macht sich offenbar auf in eine turbulente Phase.“