Wie verdorben ist der Spitzenfußball?
Transfersummen in dreistelliger Millionenhöhe, arrogante Spieler, Korruptionsskandale: Angesichts solcher Schlagzeilen zweifeln nicht wenige daran, ob es im Weltfußball noch um sportliche Leistungen geht. Auch Kommentatoren diskutieren über die Schattenseiten des Ballsports, erklären aber gleichsam, warum er es dennoch wert ist, ihn zu lieben.
Goldjunge mit schlechten Manieren
Wie charakterlich verfallen der Spitzenfußball ist, zeigt das Verhalten des Superstars Neymar, klagt Der Standard:
„Vor zwei Jahren schätzte sich der Brasilianer glücklich, künftig mit Paris Saint-Germain Titel holen zu dürfen, vor allem jenen in der Champions League. Das ist nicht gelungen, jetzt wird der 27-Jährige erst wieder froh sein, wenn er nicht mehr in Paris spielen muss. ... Der Goldbub verdeutlicht sein Unglück durch Nichterscheinen am Arbeitsplatz und Beleidigung der Fans seines Noch-Arbeitgebers. Die wünschen Neymar jetzt zum Teufel - Zweck erreicht, er wird wohl zurück nach Spanien transferiert werden und, wie es aussieht, auch noch durch eine Gehaltsaufbesserung von Real Madrid getröstet. ... Wie lange der mit Gold gefüllte Krug namens Spitzenfußball noch zum Brunnen geht, ehe das zahlende Publikum mit ihm bricht, ist offen. Je eher, desto besser, könnte man sich wünschen.“
Ein Geschenk, das uns verbindet
Die Globalisierung des Fußballs ist ein Geschenk für alle Menschen, kontert der Journalist Kamil Sikora auf dem Onlineportal Klubjagiellonski.pl:
„'Més que un club' ['Mehr als ein Verein'] lautet das Motto des FC Barcelona. Der Slogan, der in den vergangenen Jahren heftig angeprangert wurde, verdeutlicht perfekt die Veränderungen, die in den Köpfen der Fußballinstitutionen stattgefunden haben. Bis zu einem gewissen Punkt war das Team eine Repräsentation der lokalen Gemeinschaft. So haben die Geschichten aller großen Clubs begonnen. Erst mit der Zeit hat sich herausgestellt, dass sich eine Person, die drei Straßen vom Stadion entfernt wohnt, und eine, die auf einem anderen Kontinent lebt, gleichermaßen mit der Mannschaft identifizieren können. ... Die Entwicklung der Technologie hat den Ball zu einem wunderschön verpackten Geschenk gemacht, das wir fast täglich und in immer besserer Qualität öffnen.“
Der Weltmeister sollte Fußball nicht verachten
Im Vergleich zu anderen Ländern hat Frankreichs Fußball weniger Zuschauer, leerere Clubkassen und schwächere Teams, meint Les Echos und fordert das Weltmeisterland auf, den Sport nicht länger so stiefmütterlich zu behandeln:
„Der Fußball verdient Besseres als unsere Verachtung. ... Denn in einer Unterhaltungsgesellschaft wie der unseren ist Fußball die beste Serie. Eine Fortsetzungsgeschichte, die sowohl lang als auch unvorhersehbar ist. Die Ligue 1 ist zudem nicht nur ein Spiel: Sie ist auch eine wichtige Wirtschaftsaktivität, die in allen Regionen kolossale Effekte hervorbringen kann, die übrigens nicht nur dem Fußball zugutekommen. ... Darüber hinaus kann Fußball das Image im In- und Ausland aufpolieren. Siege können stolz machen und zum Entstehen eines Gemeinschaftsgefühls beitragen.“