Ungarn: Mischt sich Staat zu sehr in Bildung ein?
Mehrere hundert Menschen haben am Samstag in Budapest gegen eine Änderung der ungarischen Bildungsgesetzgebung demonstriert. Die umstrittenen Gesetzesänderungen legen unter anderem die Entscheidung über die Schulreife eines Kindes in die Hand der Behörden und machen nicht-staatlichen Schulen stärkere Auflagen für die Lehrpläne. Kommentatoren diskutieren, ob die Proteste gerechtfertigt sind.
Eltern haben nichts mehr zu melden
Die linke Tageszeitung Népszava kritisiert die wachsende Einflussnahme der Regierung durch das neue Bildungsgesetz:
„Ab dem neuen Schuljahr wird die Regierung entscheiden, wann ein Kind kindergarten- oder schulreif ist, nicht mehr Eltern und Pädagogen. Die Regierung entscheidet, wer Privatschüler sein darf. Die Regierung entscheidet, wer Schuldirektor sein kann, die Lehrerschaft und die Eltern haben nicht einmal mehr das Recht zur Begutachtung. Die Regierung entscheidet, welche Schule alternative Bildungsmethoden zu den staatlichen nutzen darf. Die Regierung entscheidet, welcher Verlag Lehrbücher entwickeln und herausgeben darf.“
Kein Grund zur Panik
Die regierungsnahe Tageszeitung Magyar Hírlap findet die Proteste übertrieben:
„Der Ungarische Bund der Waldorfschulen, der vielleicht wichtigste Repräsentant der alternativen Schulen, um die die Demonstranten so sehr besorgt sind, hat die betroffenen Eltern schon vor Wochen darüber informiert, dass den Schulen durch das Gesetz kein Nachteil entsteht. ... Über die Schulreife eines Kindes wird nicht irgendeine gesichtslose bürokratische Organisation entscheiden, sondern eine Fachgruppe. Die Eltern und die Kindergartenpädagogen, die das Kind gut kennen, werden natürlich, so wie früher, am Entscheidungsprozess beteiligt.“