Ungarns Opposition gewinnt Budapest
Mit Hilfe eines breiten Bündnisses hat Ungarns Opposition bei der Kommunalwahl am Sonntag das Bürgermeisteramt in Budapest und anderen großen Städten des Landes erobert. Was bedeutet das für die Fidesz-Partei von Premier Orbán?
Fidesz muss deutlich Federn lassen
Sowohl Opposition als auch das Regierungslager fühlen sich als Gewinner, beobachtet Adevărul:
„Der Kandidat der vereinten Opposition hat die Stadtverwaltung von Budapest gewonnen. Ebenso haben sie jetzt 14 von 23 Distrikten der Hauptstadt, die ihnen eine komfortable Mehrheit sichern, um die Stadt zu verwalten. Von 23 Großstädten werden jetzt zehn von der Opposition geführt. Andererseits halten aber auch die Vertreter von Fidesz die Kommunalwahlen vom Sonntag für einen Sieg: Sie haben etwas über 50 Prozent aller Stimme erhalten und die Hälfte aller Ortschaften mit über 5.000 Einwohnern hat einen Fidesz-Bürgermeister. Doch angesichts der vorherigen fast vollständigen Dominanz gleicht der Fidesz-Sieg einem spürbaren Aderlass. Wenn sich die Opposition als politische Kraft beweist, dann ist das Ende der Epoche von Viktor Orbán in Budapest eingeläutet.“
Herber Schlag für die Oligarchen
Orbáns Partei wird das Wahlergebnis finanziell zu spüren bekommen, prophezeit Polityka:
„Für den Fidesz bedeutet der Einflussverlust in den größten Städten nicht nur einen Verlust der Stimmen, sondern auch einen Verlust der finanziellen Einnahmen aus Ausschreibungen für Geschäftsleute, die mit Viktor Orbán befreundet sind. Es ist kein Zufall, dass die Aktien des Unternehmens des reichsten von ihnen - Lőrinec Mészaro, dem ehemaligen Bürgermeister der Heimatstadt des Premiers - angefangen haben, brutal zu fallen. Der Analytiker Dominik Héjj setzte das in einem Tweet schnell mit den Ausschreibungen in Verbindung, die der Oligarch bislang gewonnen hatte.“
Orbán hat das Land weiter fest im Griff
Die Macht der oppositionellen Bürgermeister ist trotz allem begrenzt, erklärt Die Presse:
„Nur weil ein Grüner Bürgermeister von Budapest wird und die Opposition noch vier weitere große Städte gewonnen hat, heißt das noch lang nicht, dass der Niedergang von Viktor Orbáns Fidesz eingeleitet ist. Selbst eine Pornoorgie hat die Fidesz-Anhänger in Györ nicht abgeschreckt, ihren Skandalbürgermeister im Amt zu bestätigen. Das sagt eigentlich alles über die christlichen Werte, die Orbáns Fidesz angeblich so hochhält. Nein, Orbán hat Ungarn weiter fest im Griff, in den Gemeinden und in der Mehrheit der Städte hat Fidesz das Sagen. Und wenn der Bürgermeister in Budapest aufmucken sollte, wird ihm rasch der Geldhahn zugedreht.“
Der Wettbewerb kehrt in die Politik zurück
Das regierungsnahe Onlineportal Mandiner gibt beiden Seiten Ratschläge:
„Die Opposition muss wieder lernen, wie man Städte und Bezirke leitet, verantwortungsvolle Entscheidungen trifft, einen Haushalt plant, Siedlungen verwaltet und entwickelt. Die Regierungsseite muss wieder den wirklichen Dialog lernen, sie muss wieder lernen, wie man kooperiert, und wie man, falls nötig, sinnvolle Kompromisse mit seinen Gegnern schließt. Beide Seiten, besonders aber die Regierungsseite, die das bisherige System aufgebaut und dessen Vorteile genossen hat, müssen jetzt viele ihrer Funktionsprinzipien überdenken. ... Letztendlich ist auf kommunaler Ebene der Wettbewerb in die ungarische Politik zurückgekehrt. Er ist gut und gesund.“