Die 2010er Jahre: Welt im Chaos?
Mit dem Jahr 2019 enden auch die "Zehnerjahre" des 21. Jahrhunderts. Europäische Medien nutzen dies für einen Rückblick auf eine Dekade, die von Krisen und Umbrüchen geprägt war. Die Kommentatoren diskutieren darüber, wie gut die Welt diese Herausforderungen bewältigt hat.
Permanenter Ausnahmezustand
Anschläge, Naturkatastrophen und Menschen, die im Meer ertrinken - wir haben uns zu sehr an diese Realitäten gewöhnt, meint die Schriftstellerin Ginevra Bompiani in Le Monde:
„Der Ausnahmezustand ist heute unser Naturzustand. Das gilt in Politik und Recht, wo ständige Dringlichkeit herrscht. Aber - und das ist entscheidend - es gilt auch in einer grundlegenden Weise, die wir vielleicht einen 'seelischen Ausnahmezustand' nennen könnten, der uns übermannt. ... In letzter Zeit haben sich allerdings zwei Bewegungen dagegen erhoben: die der Jugend von Fridays For Future, und ganz neu eine zweite [in Italien], nicht nur, aber vor allem aus jungen Menschen bestehend, die sich 'Sardinen' nennen, und die sich für ein ruhiges, heiteres, zugewandtes und zivilisiertes Leben einsetzen.“
Populisten machen nichts besser
Für Mérce ist der Aufstieg des Populismus das dominierende Merkmal des vergangenen Jahrzehnts:
„Global betrachtet waren die 2010er Jahre das Jahrzehnt der rechten Hegemonen. Nachdem die Wirtschaftskrise überwunden war, brach das Zeitalter der als populistisch bezeichneten Politik an. ... Sie wird typischerweise vertreten von reichen, korrupten und verantwortungslosen, aber im Namen des Volkes auftretenden Politikern. ... Die Welt ist in diesen zehn Jahren ungleicher, chaotischer und hoffnungsloser geworden und unsere Gesellschaften sind fragmentierter denn je. Und während diese rechten Hegemonen es hervorragend beherrschen, uns abzulenken, haben sie nicht die Absicht, die wirklichen Probleme zu lösen.“
Eine griechische Tragödie
Es war eine Dekade voll harter Entbehrungen für Griechenland, blickt Naftemporiki zurück:
„Ιnnerhalb eines Jahrzehnts haben wir den Zusammenbruch eines falschen Wohlstandsgefühls, reihenweise politische Erdbeben, eine schwere Finanzkrise und eine tiefe Rezession erlebt. ... Wir haben gesehen, wie die Gesellschaft in Wut geriet, wie sie zerfiel, wie ihre Träume und Illusionen sich auflösten. Wir haben gesehen, wie die Gesellschaft das Gift der Spaltung trank, aber auch wie sie gehofft und gekämpft hat, um ihr zerrissenes Gewebe wieder zu flicken. Griechenland hat als einziges Land drei schmerzhafte Sparpakete umgesetzt und mehr als 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verloren.“
Es gibt Grund zum Optimismus
Allzu schlecht war die Dekade doch nicht, urteilt die Luzerner Zeitung:
„Es war also zweifellos ein Jahrzehnt der fundamentalen Veränderungen, aber war es ein gutes Jahrzehnt? Es hätte schlimmer kommen können. Auch wenn vor allem die Negativschlagzeilen haften bleiben: Grosse Kriege gab es nicht, die Armut hat weltweit abgenommen, die Lebenserwartung ist gestiegen, die Medizin erzielte auf verschiedenen Gebieten Durchbrüche, und die Arbeitslosigkeit befindet sich in vielen Ländern auf Tiefstständen. Es wächst eine Generation heran, die engagierter und weniger gleichgültig ist als diejenige vor ihr. Das stimmt mit Blick auf das neue Jahrzehnt durchaus zuversichtlich.“