Urteil im Prozess um Supermarkt-Einsturz in Riga
Im Prozess um den Einsturz eines Supermarktdaches 2013 in Riga, bei dem mehr als 50 Menschen starben, ist am Dienstag das Urteil gesprochen worden: Ein Bauingenieur wurde wegen fahrlässiger Tötung und Verstößen gegen die Bauvorschriften zu sechs Jahren Haft verurteilt. Weitere acht Angeklagte wurden freigesprochen. Hinterbliebene verließen noch während der Urteilsverlesung den Gerichtssaal. Warum?
Eine weitere Tragödie
Die wütende Reaktion der Opfer und Angehörigen erklärt Neatkarīgā:
„Das Urteil ist für viele der Opfer ein erneuter Dacheinsturz. Nur diesmal stürzte nicht die Dachkonstruktion eines Supermarktes ein, sondern das Bild der Opfer und Angehörigen von einem Lettland, das ein faires Justizsystem hat. ... Acht Angeklagte, sowohl der Architekt, der Bauexperte als auch die Supermarktmitarbeiter wurden freigesprochen. Am Ende wurde also einem Bauingenieur die historische Rolle übertragen, der einzige Sündenbock für die Tragödie und für den Unsinn der Bauindustrie zu sein. Doch ist er tatsächlich der einzige Schuldige? Wohl kaum.“
Profit geht wieder vor Sicherheit
Das Urteil zementiert die Gleichgültigkeit, die sich inzwischen wieder in Lettland eingestellt hat, beobachtet Latvijas avīze:
„In den ersten Monaten nach der Tragödie hatten die Menschen Angst, verdächtige Gebäude zu betreten, haben nach oben geschaut, ob da ein Riss war. Einige Institutionen bekamen es ebenfalls plötzlich mit der Angst zu tun und inspizierten viele Gebäude. Jetzt ist wieder alles beim Alten. Das Gerichtsurteil von Mittwoch ist nur eine kleine Warnung an die Ingenieure, dass sie bei den Berechnungen keine Fehler machen dürfen. Sonst landen sie im Gefängnis. Aber alle anderen - Eigentümer von Baufirmen und Einkaufszentren, Bauleiter und Bauarbeiter - können beruhigt durchatmen, denn es droht ihnen gar nichts und sie werden nicht zur Verantwortung gezogen. Und sie können weiter mit minimaler Sicherheit maximalen Profit erzielen.“