Kann die Slowakei nach der Wahl aufatmen?
Nach fast 14 Jahren haben die Slowaken die Ära von Ex-Premier Robert Fico endgültig beendet. Dessen Partei Smer, bislang an der Regierung, verzeichnete bei der Parlamentswahl hohe Verluste. Wahlsieger ist der Unternehmer Igor Matovič mit seiner konservativen Protestpartei Oľano. Er hat gute Chancen, eine Koalition mit liberalen und konservativen Parteien zu bilden. Kommentatoren sind verhalten erleichtert.
Jetzt muss Matovič mehr tun, als zu protestieren
Die Slowakei ist nicht verloren, bemüht der Chefredakteur von Dennik N, Matúš Kostolný, erhabene Worte:
„Wir können feiern. So schwierig es mit Matovič auch sein mag, es ist klar, dass es morgen besser sein wird als gestern mit Fico. Freilich: Lebten wir in einem normalen Land, hätte Fico schon vor zwei Jahren nach dem Mord an Ján Kuciak und Martina Kušnírová die Macht abgeben müssen. Diese zwei Jahre zeigten, wie schwer verwundet die Slowakei ist. Es ist gut zu wissen, dass die Leute das verstanden haben. ... Wahlsieger Matovič verdient Glückwünsche und Lob, denn er war derjenige, der den Zustand des Landes am besten verstanden hat. Er muss jedoch erkennen, dass von ihm jetzt mehr erwartet wird. Bisher hat er nur geschrien, protestiert und gewarnt, was alle anderen falsch gemacht haben. Jetzt muss er herrschen.“
Wandel nicht garantiert
Die Abwahl korrupter Politiker führt nicht automatisch zu einer tiefgehenden Veränderung, argumentiert Népszava:
„Die Wähler haben mit einer Entschlossenheit, die auch in der Geschichte der Slowakei beispiellos ist, eine Veränderung und einen Bruch mit dem von Fico geprägten Regime gefordert. Trotzdem ist nicht garantiert, dass in der Slowakei nun alles anders wird. ... Matovič lässt eine Reihe von Fragen aufkommen. Er gilt tatsächlich als sauberer Politiker, der klar und deutlich gegen korrupte Politiker vorgehen will. Doch inzwischen scheut er auch vor Populismus nicht mehr zurück. ... Nach der Wahl äußerte er sich so, dass er nach einer verfassungsgebenden Mehrheit strebt. Diese Aussage scheint eine Vierparteien-Regierung anzukündigen. Es ist einstweilen schwer vorstellbar, wie die ideologisch unterschiedlichen Parteien reibungslos in einer Regierung zusammenarbeiten sollen.“
Liberal ist zum Schimpfwort geworden
Für die Süddeutsche Zeitung birgt das Wahlergebnis auch eine schlechte Nachricht:
„Jene Partei, die vor einem Jahr Präsidentin Zuzana Čaputová ins Amt brachte, hat es nicht einmal ins Parlament geschafft. Sie konnte mit ihrer toleranten Haltung und sachlichem Auftreten nicht punkten. Mit ihr hätte die EU, vor allem Deutschland und Frankreich, wohl einen verlässlichen Partner in Mitteleuropa gefunden. An die Macht kommen wird der Populist Igor Matovič, der sich mit Parteien verbünden will, die Angst vor Migranten schüren und wenig Respekt vor Minderheiten erkennen lassen. Aus dem Wort 'liberal' haben sie ein Schimpfwort gemacht. ... Das Böse hat verloren. Ob wirklich das Gute gewonnen hat, wird sich noch weisen.“