Pflegeheime: Schandfleck der Politik?
In Einrichtungen der Altenbetreuung hat sich das Coronavirus vielerorts besonders stark ausgebreitet. Dies ist auch insofern problematisch, als eine Covid-19-Erkrankung bei älteren Menschen häufiger schwer verläuft. Europäische Medien werfen der Politik in diesem Bereich Versagen vor – und weisen auch auf blinde Flecken jenseits der Pflegeheime hin.
Alte sträflich vernachlässigt
Die britische Regierung hat viel zu wenig gegen die Ausbreitung des Virus in Pflegeheimen unternommen, empört sich The Independent:
„Wir werden erst in einigen Monaten wissen, wie viele Menschen dem Corona-Virus zum Opfer gefallen sind. Doch Großbritannien könnte am Ende mit der höchsten Sterblichkeitsrate in Europa dastehen. Dass es eine vergessene zweite Front gibt und wie diese von der Politik sträflich vernachlässigt worden ist, darf nicht länger verborgen bleiben. ... Bei seiner weithin begrüßten Rückkehr ins Amt sprach Boris Johnson vom 'offensichtlichen Erfolg' seiner Regierung in den Krankenhäusern. Ihr erbärmliches, vermeidbares Versagen in Pflegeheimen erwähnte er nicht. Eines Tages wird die offizielle Untersuchung dieser Krise das sicherlich tun.“
Viele Aushilfen - große Ansteckungsgefahr
Dass Schweden gemessen an der Bevölkerungsdichte eine hohe Zahl von Corona-Todesopfern zu beklagen hat, hängt laut der Gewerkschaft der Staatsangestellten auch mit der hohen Zahl von Aushilfen in der Altenpflege zusammen. Das leuchtet Expressen ein:
„In der Hauptstadt wurde vergangenes Jahr fast jede vierte Arbeitsstunde [in diesem Bereich] von Springern ausgeführt. In den Haushalten der Senioren bewegen sich viele Menschen - ein Alptraum aus Sicht des Infektionsschutzes. Und viele Aushilfen springen zwischen den Altenheimen hin und her und verbreiten entsprechend Krankheitserreger. ... Die fehlende Kontinuität macht den Alltag der Alten schwieriger und erschwert die Arbeit der Festangestellten. Es ist weniger leicht, Routinen einzuhalten, auch Regeln in Sachen Hygiene.“
Lösungen für Langzeitpflege sind überfällig
Auch hilfsbedürftigen und alten Menschen zu Hause wurde in der Corona-Krise bislang zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, kritisiert Primorske novice:
„Das gilt vor allem für diejenigen, die aus Krankenhäusern entlassen wurden und für Demenzpatienten, die eine ständige Versorgung benötigen. Das Verbot der Aufnahme in Altersheime (um die dortigen Bewohner und Angestellten zu schützen) hat viele in eine äußerst schwere Lage gebracht. Auch die Hilfe, die sie zu Hause bekommen haben, ist keine Lösung. … Die ohnehin zu langen Wartezeiten für einen Heimplatz werden jetzt noch länger. … Deshalb hoffen wir, dass die Corona-Krise für die Verantwortlichen eine gute Lektion war und sie so schnell wie möglich die lange erwarteten Systemlösungen in der Langzeitpflege angehen.“