Wird Johnsons Berater ihm zum Verhängnis?
Der britische Premier Boris Johnson hat sich hinter seinen Spindoctor Dominic Cummings gestellt, der mehrfach gegen die Corona-Ausgangsbeschränkungen verstoßen hat. Cummings war unter anderem mit seiner Familie durch das Land gereist. Viele Briten werfen ihrer Regierung nun Doppelmoral vor, die Kommentatoren sind allerdings gespalten.
Die Regeln gelten wohl nur fürs gemeine Volk
Den Ärger der Briten kann Postimees gut nachvollziehen:
„Als Boris Johnson seinen Berater Dominic Cummings in Schutz nahm, der die Corona-Beschränkungen grob verletzt hat, spuckt er auf die Opfer, die das Volk zwei Monate lang erbracht hat, und verletzte er dessen Gerechtigkeitsgefühl enorm. Der Premier hat die Botschaft gesendet, dass die Regeln nur fürs gemeine Volk gelten. Seit der zweiten Märzhälfte wurden den Briten strenge Regeln auferlegt, Tag für Tag wurde wiederholt, man müsse zu Hause bleiben, bis Mitte Mai wurden 14.000 Menschen für die Nichteinhaltung bestraft. Die Beschränkungen waren notwendig, wie die Zahlen beweisen: 261.000 Infizierte, 37.000 Corona-Tote. Zahlen, die noch viel schlimmer hätten sein können. Trotzdem fand Cummings, dass ihm mehr zusteht als allen anderen.“
Elite verdient Sonderrechte
Manche Menschen sollten auch gewisse Privilegien haben, meint die Tageszeitung The Daily Telegraph, die für ihre unerschütterliche Unterstützung für die Konservativen bekannt ist:
„Im Allgemeinen sollte das Gesetz natürlich für alle gleichermaßen gelten. Und Mitglieder der herrschenden Elite sollten vermeiden, dass ihre Worte nicht mit ihren Taten übereinstimmen. Es besteht jedoch auch weitgehend Konsens darüber, dass unsere Regierenden - und das schließt deren engste Berater ein - Anspruch auf eine Sonderbehandlung haben. Sie sind schließlich besondere Menschen, auch in Demokratien, vielleicht besonders in Demokratien. Sie haben einen sehr ungewöhnlichen und anspruchsvollen Job, den sie nach besten Kräften ausüben sollen.“
Johnson untergräbt seine eigene Autorität
Dass der Regierungschef seinen umstrittenen Berater verteidigt, wird ihm politisch massiv schaden, ist The Irish Times überzeugt:
„Boris Johnson hat sich hinter Dominic Cummings' Verteidigungslinie gestellt und darauf gepocht, dass die 'Bleib zu Hause'-Regel, die alle anderen für unverrückbar halten, tatsächlich Auslegungssache sei. Doch hier geht es nicht darum, wie die Justiz, sondern wie die Öffentlichkeit urteilt. ... Johnsons Entschlossenheit, Cummings zur Seite zu stehen, ist nicht nur ein politischer Fehler, für den er wahrscheinlich bei Wahlen bezahlen wird, sondern vor allem auch ein Schlag gegen seine Autorität bei der Durchsetzung des Lockdowns.“