Frankreich: Bürgerrat legt Klima-Maßnahmen vor
Die Mitglieder des französischen Bürgerkonvents haben der Regierung ihre Empfehlungen vorgelegt. Über zwei der insgesamt 149 Maßnahmen will der Konvent zudem das Volk abstimmen lassen: die Aufnahme des Umweltschutzes in die Verfassung und die Einführung des Ökozids als Straftatbestand. Zu viel oder zu wenig direkte Demokratie?
Referendum gefährdet Demokratie
Eine Volksabstimmung würde das Gleichgewicht zwischen partizipativer und repräsentativer Demokratie zerstören, warnen hingegen der Politologe Bastien François und die Juristin Anne Levade in Le Monde:
„Man kann dem Präsidenten dafür verbunden sein, dass er es in einem in Frankreich unerprobten Ausmaß gewagt hat, Bürger in politische Entscheidungen einzubinden. Optiert er aber für ein unverbindliches Referendum, würde er der Demokratie einen äußerst schlechten Dienst erweisen. Er ginge damit das Risiko ein, die Grundlagen unserer Demokratie zu erschüttern, indem er dem Souveränitätsgrundsatz an sich schaden würde, der so auf die einfache Kompetenz des Zustimmens reduziert würde, während das Parlament eine immer kleinere Rolle spielt.“
So schnell werden Volksvertreter zu Politikern
Weil selbst der Bürgerrat vor einem viel mutigeren und umfassenderen Referendum zurückschreckt, sieht L'Opinion das Experiment direkte Demokratie gescheitert:
„Eine bizarre Situation: Das Volk vertraut dem Volk nicht mehr. Acht Reflexionssitzungen reichten aus, und schon haben die echten Menschen im Rat die Reflexe der Elite übernommen, der sie so sehr misstrauen. Und um die Politikkarikatur zu vollenden, haben unsere zu Entscheidungsträgern gewordenen einfachen Bürger aus ihren Empfehlungen alles herausgestrichen, was Atomenergie und CO2-Steuer betrifft. Zu riskant. Echte Politiker. Beinahe hätten sie auch die Einsetzung einer Kommission und das Verfassen eines Weißbuchs vorgeschlagen.“
Worüber soll nun abgestimmt werden?
Die nun angedachte Volksbefragung zu den Empfehlungen des Bürgerrats ist ein kompliziertes Unterfangen, gibt La Croix zu bedenken:
„Den Franzosen vorzuschlagen, sich zu jeder einzelnen vom Bürgerrat verabschiedeten Maßnahme zu äußern, wäre ein technisch komplexes Unterfangen. Schneller wäre es, sich auf eine oder zwei Fragen mit Symbolcharakter zu beschränken. Genau das ist der Vorschlag der Mitglieder des Klimakonvents: [eine Abstimmung über] die Aufnahme des Kampfes gegen den Klimawandel in die Verfassung und die Einführung des Ökozids als Straftatbestand. Diese Option birgt jedoch ein Risiko. ... Der Bürger könnte dazu tendieren, daraus eine Abstimmung über den Zuspruch oder die Ablehnung gegenüber Emmanuel Macron zu machen.“
Wachstumsgegner stürzen uns ins Chaos
Die geforderte Drosselung von Produktion und Konsum steht der nötigen Konjunkturförderung in der Corona-Wirtschaftskrise entgegen, warnt Le Figaro:
„Der Grundtenor fordert eher Zwang als Anreize: Wir müssen weniger arbeiten (aber bei gleichem Lohn), weniger produzieren, weniger konsumieren. … Dies entspräche einer erzwungenen Ausweitung der Verbotsgesellschaft, ergänzt durch eine Verfassungsänderung, die unsere Rechte und Freiheiten dem Umweltschutz unterordnen würde. … Die Erderwärmung ist real, aber nicht weniger als die Wirtschaftskatastrophe, die uns bevorsteht. Wie kann man diese beiden Kämpfe sinnvoll führen? Bestimmt nicht, indem man auf die Apostel der Wachstumskritik hört, die uns direkt ins allgemeine Chaos stürzen würde.“