Gouverneur in Haft: Proteste in Sibirien
In der ostsibirischen Großstadt Chabarowsk haben am Wochenende Zehntausende Menschen gegen die Verhaftung des Regionalgouverneurs Sergej Furgal wegen zweier angeblich 2005 von ihm angeordneten Auftragsmorde protestiert. Auch in weiteren Städten gab es Spontandemos für Furgal und gegen den Kreml. Was steckt hinter der heftigen Reaktion auf die Festnahme des Politikers von der ultrarechten LDPR?
Moskau rückt immer weiter weg
Bei den Protesten geht es um mehr als die Verhaftung des beliebten Gouverneurs, ist sich Publizist Viktor Schenderowitsch auf gordonua.com sicher:
„Die Chabarowsker sind auf die Straße gegangen. Für Furgal? Nein, für sich. Denn Moskau hat sie mit der Verhaftung eines von ihnen gewählten Gouverneurs in der Öffentlichkeit geohrfeigt. Die Situation ist tragikomisch. Furgal ist ja nicht Havel. Doch mit derartigen Feinheiten hält man sich angesichts wichtigerer Dinge nicht auf. … Die sind klasse, die Chabarowsker. Beobachten Sie mal die Polizei von Chabarowsk. Die hat es überhaupt nicht eilig, Bewohner ihrer Stadt im Polizeiwagen in Gewahrsam zu nehmen oder gar niederzuknüppeln. … Moskau ist weit und rückt mit jedem Tag weiter weg.“
Russlands Osten fühlt sich im Stich gelassen
Wedomosti erklärt den Volksaufstand mit der krisenhaften Lage in der ostsibirischen Provinz:
„Die Bevölkerung des Gebiets ist allein im letzten Jahr um 18.500 zurückgegangen. Viele der jungen Menschen waren noch nie in Moskau. Für das Gas aus Sachalin, das per Pipeline durch die Region geleitet wird, muss man in Dollar zahlen. Furgals Wahlsieg 2018 war eine Folge dieser kritischen Entwicklung. … Als die Bolschewiken 1920 die unabhängige Fernostrepublik ausriefen, berücksichtigten sie die regionale Spezifik und Interessenlage. Zwei Jahre später integrierte sich die Republik friedlich in die Sowjetunion - während die Einheit anderswo Blut kostete. Heute gefährdet Moskaus grober Zentralismus wieder den Zusammenhalt des Landes.“