Russische Einflussnahme beim Brexit: So what?
In London ist am Montag der Bericht des britischen Geheimdienstausschusses veröffentlicht worden, in dem es um eine mögliche russische Einflussnahme beim Brexit-Referendum 2016 geht. Welche Rolle Russland damals tatsächlich spielte, bleibt unklar. Hart geht der Bericht aber mit der britischen Regierung ins Gericht: Dort habe sich niemand für den Verdacht interessiert. Kommentatoren sind wütend.
Establishment hat einfach weggeschaut
Der springende Punkt ist nicht, ob Großbritannien ohne Russlands Zutun in der EU verblieben wäre, sondern wie die Regierung auf den Verdacht der Einmischung reagierte, findet The Guardian:
„Selbst wenn es eine Tatwaffe, also eindeutige Beweise für die Einmischung gäbe, würde man diese wohl niemals finden. Aber die Regierung hatte allen Grund, einen Verstoß gegen demokratische Prozesse zu vermuten und scherte sich nicht darum. Ein Eingeständnis wäre nicht nur peinlich gewesen, sondern hätte das Leben auf der globalen Bühne schwieriger gemacht. Außerdem hätte es eine stärkere Rechtfertigung für die nationale Selbstsabotage erforderlich gemacht, die unsere Regierung um jeden Preis umsetzen möchte. Der heute offenbarte Skandal ist also nicht, dass unsere Demokratie von ausländischen Kräften korrumpiert und für nichtig erklärt wurde, sondern dass das dem britischen Establishment herzlich egal war.“
Nationale Sicherheit in den falschen Händen
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung findet die Ergebnisse des Berichts mehr als bedenklich:
„Das [Wegschauen] kann nichts mit Liebedienerei gegenüber Russland zu tun haben. Mit Moskau gab es schon damals Probleme. Vielmehr liegt der Verdacht nahe, dass die Kampagne für den EU-Austritt, die ohnehin mit fragwürdigen Argumenten arbeitete, auf keinen Fall irgendwelchen Verdächtigungen ausgesetzt werden sollte. Wenn man sich dann erinnert, wie vergleichsweise knapp die Volksabstimmung zugunsten des Austritts aus der EU ausging, kann man schon ins Grübeln kommen. Zentrale Figur der 'Leave'-Kampagne war damals Boris Johnson. Zumindest in jenem Wahlkampf offenbarte er ein einigermaßen spielerisches Verhältnis zur Wahrheit. Man fragt sich, ob Großbritanniens nationale Sicherheit bei diesem Mann wirklich in den besten Händen ist.“