Athen und Kairo vereinbaren Wirtschaftszone
Am Donnerstag haben sich Griechenland und Ägypten auf eine gemeinsame Wirtschaftszone im erdgasreichen östlichen Mittelmeer geeinigt. Damit reagierten die beiden Länder auf das Abkommen zwischen der Türkei und Libyen, durch das sie ihre Interessen verletzt sahen. Die Türkei kritisierte den Pakt indes als wertlos und erklärte, weiterhin Öl- und Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer zu erforschen.
Historische Chance für Ankara
Das neue Abkommen ist nur ein Zeichen der Schwäche Griechenlands, meint die regierungstreue türkische Tageszeitung Sabah:
„Die Meere waren für die Türkei schon immer problematisch. Vor dem Zweiten Weltkrieg konnte sie diese Probleme nicht lösen, dann wurden im Kalten Krieg alle kritischen Themen eingefroren. In den neunziger Jahren begab sie sich gegen die Forderungen des verwöhnten Griechenlands in die Defensive. ... Heute ist die Situation eine vollkommen andere. Die Türkei ist auf See stärker und von einer US-Intervention kann keine Rede sein. Die Europäische Union, die einzige Sicherheit Griechenlands, hat weder die Absicht noch die Kraft, sich damit zu befassen. Griechenland ist mit der Türkei auf sich allein gestellt. Das ist die Gelegenheit, auf die wir seit Jahren warten. Deshalb versucht Griechenland, mit diplomatischen Manövern wie dem Abkommen mit Ägypten diese Lücke zu schließen.“
Gespräche sind der einzige Weg
Haravgi hofft, dass der Dialog zwischen Athen und Ankara trotzdem fortgesetzt wird:
„Griechenland und die Türkei haben keine andere Wahl. ... Und wir hoffen, dass die Bemühungen um einen griechisch-türkischen Dialog Früchte tragen werden. ... Drohungen tragen nicht dazu bei, die Spannungen zu verringern. Stattdessen lenken sie die Führungen und Gesellschaften von der Notwendigkeit ab, sich mit der Pandemiekrise, der Wirtschaftskrise und den Auswirkungen auf die Bevölkerung auseinanderzusetzen. Ohne Drohungen können die EU und ihre führenden Länder die Türkei davon überzeugen, ihre Differenzen mit den Nachbarn durch Dialog beizulegen. Was auch immer daraus hervorgeht, wird allen zugute kommen.“
Die kniffligen Fragen bleiben ungelöst
Charles Ellinas vom Global Energy Center des Atlantic Council schreibt in Cyprus Mail über die Gefahren der neuen Vereinbarung:
„Das Abkommen zwischen Griechenland und Ägypten betrifft nur die Grenze der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) zwischen den beiden Ländern. Zypern und [die nur drei Kilometer vom türkischen Festland entfernte griechische Insel] Kastelorizo sind nicht Teil davon, weil Ägypten diese Themen für zu kompliziert hielt. Dadurch bleiben offene Fragen, die nur durch Verhandlungen mit der Türkei - ohne Zypern - gelöst werden können. Um den Druck aufrechtzuerhalten, setzt die Türkei ihre Intervention in Zyperns AWZ fort. … Diese Entwicklungen bringen Zypern in eine schwache Position, die bei der Beilegung von Streitigkeiten im östlichen Mittelmeer schnell extrem schwach, wenn nicht bedeutungslos zu werden droht. “
Gute Ausrede für Konfrontationskurs
Kathimerini schreibt über die Reaktion der Türkei:
„Ankaras Verhalten zeigt, dass es nicht an einem ehrlichen Dialog mit Athen interessiert ist. Was in Bezug auf Sondierungsgespräche durchgesickert war, hatte in diese Richtung gedeutet. Jetzt ist jedoch klar, dass die türkische Regierung das griechisch-ägyptische Seeverkehrsabkommen als Ausrede benutzt, um den Dialog vollständig zu untergraben. Die griechische Regierung hätte jedoch nicht zulassen können, dass das zwischen der Türkei und der international anerkannten libyschen Regierung unterzeichnete Memorandum über Seegrenzen unbeantwortet bleibt. Die Türkei sucht nur nach Ausreden oder Argumenten im Dienst verschiedener Machtzentren in Ankara, die in erster Linie niemals eine Annäherung zwischen den beiden Ländern wollten.“
Endlich wieder Ordnung in der Region
Das Abkommen mit Ägypten rückt die Verhältnisse in der Region wieder gerade, lobt Petros Liakouras, Professor für Internationales Recht an der Universität Piräus, in To Vima:
„Es erschwert die Umsetzung des umstrittenen Memorandums [zwischen Libyen und der Türkei]. Es stellt die Wiederherstellung der Rechte an den Küstengebieten der Inseln im östlichen Mittelmeerraum sicher. Kurz gesagt, Griechenland erhält seinen Zugang zu diesen Seegebieten wieder. Die Länder, die hier Küsten haben, sind Griechenland und Ägypten, es bestehen keine angemessenen Ansprüche von Drittländern. Das Abkommen sichert ihre Hoheitsrechte in Bezug auf den Festlandsockel und die ausschließlichen Wirtschaftszonen.“
Ein Gebiet, zwei Abkommen
Das Webportal TVXS sieht zusätzliche Unruhe aufkommen:
„Neutrale Beobachter stellen fest, dass das türkisch-libysche Abkommen eine Realität ist, die angegangen werden muss, egal ob das griechische Außenministerium es symbolisch in den Müll wirft. ... Derzeit sind zwei Abkommen über das dasselbe Seegebiet in Kraft, zwischen vier verschiedenen Staaten. Die Ankündigung der Türkei, die [gerade aufgenommenen] Sondierungen mit Griechenland wieder einzustellen, ist jedoch beeindruckend. Dies wäre eine Fortsetzung der 'Geheimdiplomatie' zwischen Griechenland, der Türkei und Deutschland, über die die griechische Öffentlichkeit von der Regierung nicht offiziell informiert wurde. Wenn diese Situation vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag führt, wird das ein komplizierter Prozess, dessen Ausgang vor allem davon abhängt, ob die Verhandlungen mit der deutschen Präsidentschaft und Zypern Ankara befriedigen werden.“