Litauen: Konservative lösen Bauernpartei ab
Litauen hat für einen Machtwechsel gestimmt. Gewinner der Parlamentswahl am Wochenende ist der christlich-konservative Vaterlandsbund, der nun mit zwei liberalen Parteien koalieren möchte. Die bis dahin stärkste Partei, der Bund der Bauern und Grünen Litauens, verlor 22 von 54 Sitzen. Kommentatoren diskutieren, wieso die alte Regierung abgestraft wurde und was sich mit der neuen verändern könnte.
Mit den Frauen kommt der Wandel
Postimees stellt eine Kursänderung fest, die über Litauen hinausweisen könnte:
„Die Wahlen haben eine rein männliche Regierung von der Macht verjagt, drei Frauen werden die Koalitionsverhandlungen führen. Doch nicht nur aus Sicht der Geschlechterbalance zeigt sich eine bemerkenswerte Wende. ... Die überraschend starke Freiheitspartei will beispielsweise Cannabis und gleichgeschlechtliche Partnerschaften legalisieren. In einem stark katholisch geprägten Land deutet dieses Ergebnis zwar wohl noch nicht auf eine gesamtgesellschaftliche Veränderung hin. Doch es zeugt von der Aktivität jüngerer, liberaler Wähler. Möglich, dass die Wahl in Litauen das erste Anzeichen ist für das Ende der konservativen Wende, die in Europa vor fünf Jahren begann.“
Endlich regiert die Vernunft
Die Wirtschaftszeitung Verslo žinios hofft, dass die Politik künftig verlässlicher sein wird:
„Wirtschaftsvertreter erwarten von der neuen Regierung eine engere Zusammenarbeit – gemeinsame Gespräche, bevor für das Land wichtige Entscheidungen getroffen werden. Man hofft, dass die Zeit der Nicht-Beachtung und der Korruptionsskandale nun zu Ende ist. ... Die Namen der Minister werden noch hinter verschlossenen Türen verhandelt. Es bleibt abzuwarten, wer dabei die besten Karten hat. Aber eines ist klar: Die Wähler in Litauen haben sich diesmal nicht für die Populisten und ihre leeren Versprechungen, sondern für professionelle Politiker entschieden. Diese reden offen und nähren die Hoffnung, dass die Politik in eine gemäßigtere, ehrlichere und gezieltere Richtung gehen wird.“
Die Quittung für all die Skandale
Für Lietuvos rytas ist klar, warum die Wähler sich vom Bund der Bauern und Grünen abgewendet haben:
„Eine ganze Menge Stimmen haben die Bauern wohl auch deshalb verloren, weil sie vor den Wahlen die zweite Pandemie-Welle nicht in den Griff bekommen konnten oder wollten. Aber wir sollten nicht vergessen, dass ihre ganzen vier Regierungsjahre von Skandalen, Intrigen und Verboten geprägt waren. Dies wurde zum Hauptgrund, wieso Premierminister Skvernelis und Gesundheitsminister Veryga in ihren Wahlkreisen verloren haben. ... In der vergangenen Legislaturperiode haben die Bauern enorm viel an negativer Spannung aufgeladen. Das liegt an ihrer sehr personalisierten Politik nach der Devise 'Krieg gegen alle'.“