Was bringt die Wahl in Israel?
Israel wählt am morgigen Dienstag ein neues Parlament, zum vierten Mal innerhalb von zwei Jahren. Erneut dürfte die Koalitionsbildung schwierig werden. Netanjahus nationalkonservativer Likud wird laut Umfragen wieder stärkste Kraft, aber seine Partner aus dem rechts-religiösen Spektrum schwächeln. Kommentatoren analysieren seine Kampagne und die Frage, welche Veränderungen die Wahl bringen könnte.
Sieg über Covid wird ausgeschlachtet
Netanjahu hat die Impfkampagne zum Herzstück seines Wahlkampfes gemacht, beobachtet Nadav Eyal, internationaler Chefkorrespondent des israelischen Fernsehsenders Channel 13, in einem Gastbeitrag für Corriere della Sera:
„In den Likud-Werbespots zeigt er die menschenleeren Straßen europäischer Städte, die geschlossenen Geschäfte und die düstere Atmosphäre im Vergleich zu den Straßen von Tel Aviv mit ihren Clubs, die in Israel fast uneingeschränkt geöffnet sind. Wie immer bei Netanjahu ist das Verdienst nur das seinige. … Die erste und offensichtliche Schlussfolgerung ist, dass Covid von Politikern benutzt wird, um tiefgreifende Probleme zu verbergen, in Israels Fall: die politische Korruption. ... Aber viel wichtiger ist der Tribalismus. Trotz der globalen Umwälzungen, die das Virus mit sich brachte, ist die alte Politik im Stil des 20. Jahrhunderts immer noch da.“
Araber sind Zünglein an der Waage
Netanjahu hat in den vergangenen Tagen begonnen, um die Gunst arabischer Wähler zu buhlen. Warum er dies tut, analysiert der frühere Militärdiplomat Laurenţiu Sfinteş in Adevărul:
„Bis vor kurzem noch hatte Netanjahu jeglichen Kontakt mit Politikern dieser Community vermieden. ... In der Folge kam es zu einer starken Wahlbeteiligung der arabischen Wähler, die meisten Stimmen vereinten hier die Parteien der 'Gemeinsamen Liste' [ein Bündnis von sozialistischen über liberalen bis hin zu islamlisch-konservativen Parteien] auf sich. ... Mit seinen bei der vorigen Wahl errungenen 15 Mandaten positionierte sich das Wahlbündnis auf Platz drei in der Knesset. Es ist der Knotenpunkt zwischen den möglichen Koalitionen aus Mitte-Rechts oder aus Mitte-Links.“
Auf Dauer hilft nur Netanjahus Rücktritt
Der Hauptgrund für die politische Instabilität des Landes ist für La Vanguardia ganz oben zu suchen:
„Die Israelis wählen morgen das vierte Mal binnen zwei Jahren. Die ersten drei Wahlen haben keine stabile Regierung gebracht und es scheint, als blieben die Bürger in diesem Wahl-Limbo gefangen, solange Premier Benjamin Netanjahu nicht zurücktritt. ... Netanjahu klammert sich an die Macht, weil er eine Parlamentsmehrheit anstrebt, um ein auf ihn gemünztes Immunitätsgesetz durchzubringen. So weit greifen seine persönlichen Interessen schon in das Allgemeininteresse Israels ein. 2008 war sein Vorgänger, Ehud Olmert, auf Druck seiner Kollegen zurückgetreten, als gegen ihn wegen Korruption ermittelt wurde, um genau solch eine Situation zu vermeiden.“
Palästinenser können nicht hoffen
Fortschritte im Israel-Palästina-Konflikt wird der Urnengang nicht mit sich bringen, fürchtet The Irish Times:
„Zum Leidwesen ihrer Freunde und Verbündeten in aller Welt wird sich abermals eine israelische Wahl abspielen, welche die Notlage der Palästinenser fast gänzlich außer Acht lässt. Auch wenn der Regierungswechsel in den USA möglicherweise einem wiedergewählten Netanjahu bei seinen extravaganten Zielen, wie beispielsweise dem derzeit ausgesetzten Plan zur Annexion des Westjordanlandes, die Hände binden mag, so bleiben die Aussichten auf wirklich positive Entwicklungen, die sich aus der morgigen Abstimmung ergeben könnten, doch wirklich schlecht.“