Was bringt der Fußballer-Protest gegen Katar?
Zwar hat Norwegens Verband seine Entscheidung über einen Boykott der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 vertagt. Dennoch erhielt die Debatte um Menschenrechtsverletzungen im Gastgeberland Katar neuen Schwung: Bei Qualifikationsspielen trugen neben der norwegischen auch die deutsche, dänische und niederländische Mannschaft T-Shirts mit Protestbotschaften. Kommentatoren bewerten, was solche Aktionen bewegen.
Gut, dass Sportler politisch werden
Wenn Druck direkt von den Stars auf dem grünen Rasen ausgeht, trägt er auch Wirkung, glaubt Le Monde:
„Kollektive Unterstützung für die Black Lives Matter-Bewegung, das Engagement der britischen Spieler Raheem Sterling gegen strukturellen Rassismus und Marcus Rashford für arme Kinder, Antoine Griezmanns Haltung gegen die Verfolgung der Uiguren, Kylian Mbappé und andere gegen Polizeigewalt in Frankreich. ... Wenn die Fußballer politisches Bewusstsein entwickeln (oder wieder zeigen), wenn sie sich selbst das Recht zugestehen, Bürger zu sein und wenn ihre Legitimität als Bürger nicht länger angefochten wird, wenn sie Druck auf Sponsoren und Verbände ausüben, werden die 'Sportwashing'-Kampagnen, denen Großveranstaltungen dienen sollen, untergraben.“
Hinfahren und den Mund aufmachen
Die Idee, solche Events einfach zu boykottieren, verschließt für Jydske Vestkysten die Augen vor globalen Realitäten:
„Man sollte solche Regimes nicht legitimieren, indem man an ihren Festen teilnimmt, sagen viele. Aber so einfach ist das nicht. Die Welt ist nicht so gut, dass man nur mit Demokratien Handel treiben kann. Sie machen nur die Hälfte der Welt aus, also wird es schwierig mit dem Export, Sportveranstaltungen und im Übrigen auch mit Ferien in den Lieblingsländern der Dänen wie Thailand, der Türkei oder Dubai. Richtig wäre es, klar und deutlich zu sagen, was wir davon halten, wenn Menschenrechte und Demokratie mit Füßen getreten werden. Das gilt für den dänischen Fußballverband und auch die Spieler. ... Auch in Katar. Das bewirkt mehr als wegzubleiben.“
Endlich werden unangenehme Fragen gestellt
Nicht nur Katar sollte am Pranger stehen, analysiert der Sportjournalist Håvard Melnæs in The Guardian:
„Erleben wir einen echten Wandel im internationalen Fußball? Oder ist das alles nur moralische Augenwischerei? Die Proteste gegen die Weltmeisterschaft in Katar könnten nach hinten losgehen. Denn wo zieht man die Grenze? Wenn [Norwegens Nationalspieler] Martin Ødegaard gegen die Ausbeutung von Arbeitern in Katar protestiert, sollte er sich dann nicht auch gegen den wichtigsten Sponsor seines Clubs [Arsenal London] wenden? Das sind die Vereinigten Arabischen Emirate, und werden Wanderarbeiter dort nicht ebenso schlecht oder sogar noch schlechter behandelt als in Katar? Das Wichtigste dabei ist jedoch, dass der Fußballwelt endlich einige unbequeme Fragen gestellt werden.“
Demokratien müssen sich als Gastgeber zusammentun
Kristeligt Dagblad blickt mit vorsichtigem Optimismus nach vorne:
„Mehr oder weniger fragwürdige Regimes nutzen die Gastgeberrolle, um sich zu legitimieren. China und Russland sind hier gute Beispiele. Das stellt hohe Anforderungen an diejenigen, die die Gastgeber auswählen und hier haben weder die Fifa noch das Internationale Olympische Komitee sich besonders hervorgetan. ... Aber vielleicht liegt die Zukunft im Kollektiv? Im Sommer wird die Fußball-EM in zwölf verschiedenen Ländern durchgeführt und 2026 dürfen sich die Fußballfans auf die WM freuen, die Mexiko, die USA und Kanada gemeinsam abwickeln.“