China Cables: Wird die Welt wegschauen?
Geleakte Dokumente der chinesischen Kommunistischen Partei belegen erstmals die systematische Überwachung, Verfolgung und Internierung der muslimischen Uiguren. Im Nordwesten Chinas sollen bis zu eine Million Menschen in Lagern festgehalten und dort "umerzogen" werden. Kommentatoren fragen sich, wie die internationale Gemeinschaft auf die Veröffentlichung der China Cables reagieren wird.
Menschenrechte haben keine Konjunktur
Auch diese Veröffentlichungen werden kaum zu einer internationalen Verurteilung führen, fürchtet der Vorsitzende der NGO Gesellschaft für bedrohte Völker, Jan Diedrichsen, im Nordschleswiger:
„Menschenrechte haben in den letzten Jahren in der internationalen Politik massiv an Bedeutung verloren. ... Die Vereinigten Staaten von Amerika haben durch den Präsidenten bereits ankündigen lassen, dass auch die Menschenrechte als Verhandlungsmasse in den Handelsgesprächen mit China einzusetzen sind. Wirtschaft hat Konjunktur, Menschenrechte nicht. Die Europäische Union ist seit Jahren mit sich selbst beschäftigt (siehe Brexit) und weit davon entfernt, die Lücke zwischen eigenem moralischem Anspruch und machtpolitischem Handeln für die Menschrechte zu schließen. Die Autokraten und Diktatoren weltweit freut diese westliche Passivität.“
Pekings Lügen enttarnen
Le Monde zeigt hingegen Wege auf, Druck auf Peking auszuüben:
„Chinas neuer Repressionsanfall à la Orwell muss aufs Härteste verurteilt werden. Die Mobilisierung im Ausland lebender Angehöriger von Inhaftierten hat einige Freilassungen bewirkt. Doch die chinesische Regierung ist vor allem in die Offensive gegangen, indem sie ausländische Delegationen zum Besuch von 'Modell'-Zentren einlud, die extra dafür eingerichtet wurden. Angesichts der Lügen müssen die Anstrengungen des UN-Menschenrechtsrats unterstützt werden, der unabhängige Ermittlungen und Zugang zur Provinz Xinjiang fordert.“
Europa muss seinen Abscheu zeigen
Einen Ausbau der Beziehungen zu China darf es nicht um jeden Preis geben, fordert auch The Irish Times:
„Die China Cables widerlegen die absurde Behauptung der Regierung in Peking, dass das, was sie in Xinjiang tue, ein Bildungs- und Berufschulprogramm sei, bei dem die Camps ein 'Internatsethos' hätten. ... Die Grausamkeit, die sich in den China Cables offenbart, hat in der modernen Welt keinen Platz. Wenn wir unsere Beziehungen zu China nur dann vertiefen können, wenn wir über diese Gräueltaten hinwegsehen, dann ist das ein zu hoher Preis. Die irische Regierung sollte sich mit anderen EU-Staaten zusammenschließen, die einen Sinn für menschlichen Anstand haben, und dem chinesischen Regime ihren Abscheu deutlich machen.“
Testphase für ein Überwachungsmodell
Was die Welt hinsichtlich der Überwachung der Uiguren aufhorchen lassen sollte, erklärt El País:
„Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, dass Peking beim Aufbau des repressiven Systems auf die modernsten Technologien setzt, darunter die Interpretation von Metadaten, das Überwachen von Mobilfunk-Apps oder die Gesichtserkennung. Wurde dieses Modell erst an den Uiguren ausgetestet und perfektioniert, ist es leicht auf den Rest der Bevölkerung oder jedes andere Land übertragbar. Man darf nicht vergessen, dass China führend ist bei der 5G-Technologie, die als folgende Generation der Datenübermittlung das alltägliche Leben auf dem Planeten revolutionieren wird.“