Frankreich: Streit um neutrales Personalpronomen
Das französische Referenzwörterbuch Le Robert hat im Juni das neutrale Pronomen "iel", eine Mischform aus il und elle, in seine digitale Ausgabe aufgenommen. Es dient zur Bezeichnung von Menschen, die sich weder männlich noch weiblich definieren. Der Verlagschef begründete die Aufnahme mit dem stark zunehmenden Gebrauch. In der Öffentlichkeit wird die Entscheidung heiß diskutiert.
Fern der Realität
Die Aufnahme des neuen Personalpronomens ist für Le Point nicht nachvollziehbar:
„Ein Wörterbuch, und kein unbedeutendes, offeriert ihm sowohl Legitimität als auch Bekanntheit. … Immer stärker im Kommen? Man fragt sich, wo die herausragenden Lexikographen diesen Trend aufgeschnappt haben: Dieses wird weder in der mündlichen noch in der schriftlichen Alltagssprache verwendet. Und der Hinweis 'selten' betrifft in der Regel Wörter, die außer Gebrauch gekommen sind, keine Neologismen. Die Einführung des Neutrums ist nicht neutral. Sie kommt einer Verneigung vor einer dem Zeitgeist entsprechenden Ideologie gleich, die von der angelsächsischen Mode abgekupfert wurde. Und schert sich nicht um die französische Sprache und die Schönheit der Texte.“
Praktische Lösung
Zu einer pragmatischen Haltung gegenüber der Neuerung rät die Linguistin und Autorin Julie Neveux in Libération:
„'Iels' sind laut einer 2020 veröffentlichten Umfrage 22 Prozent der 18- bis 30-Jährigen, die sich weder vom Maskulinum noch vom Femininum repräsentiert fühlen. Warum ängstigt man sich vor dem, was die Hauptbetroffenen als symbolische Lösung gefunden haben? ... Auch für gleichgeschlechtliche Paare und für gemischtgeschlechtliche Gruppen ist [die Pluralform] 'iels' praktisch. Wie alle Repräsentations- und Realitätseinteilungssysteme werden Sprachen von gesellschaftlichen Herausforderungen durchdrungen, die sie sanft umformen. Zurzeit geht dies hin zu mehr Gleichheit und Neutralität. Jede Sprache bietet Vorschläge dazu, die die Mehrheit aufgreift oder eben nicht.“