Türkei: Opposition verbündet sich gegen Erdoğan
Sechs Oppositionsparteien haben am Samstag ein Bündnis zur Ablösung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan geschlossen. Gemeinsames Ziel: das von ihm eingeführte Präsidialsystem zu beenden und das Parlament zu stärken. Die "willkürliche" Amtsführung von Erdoğan sei schuld an der schweren Krise der Türkei, erklärten die Parteivorsitzenden. Europäische Medien debattieren die Aussichten des Vorhabens.
Ein wichtiges Zeichen
Der Weg, den diese sechs Parteien eingeschlagen, ist steinig, aber es ist ein guter Weg, kommentiert Yetkin Report:
„Werden sie Erfolg haben? Selbst wenn sie die Wahlen gewinnen und Erdoğan schlagen, können sie mindestens 360 Plätze im Parlament erreichen, die nötig wären, um die Verfassung zu ändern? Sorgen mögliche Konflikte zwischen ihnen für Brüche? Das sind alles legitime Fragen. ... Alles in allem ist das Treffen vom 12. Februar 2022 ein wichtiges Zeichen dafür, dass die Opposition in der Türkei unabhängig vom Ergebnis zusammenkommen kann, um für eine pluralistische Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit einzustehen.“
Kampfansage mit Schwächen
Das Sechserbündnis hat die Chance zum Machtwechsel, aber auch offenkundige Schwächen, meint der Falter:
„Noch nie konnte die Opposition so zuversichtlich sein, [Erdoğan] bei den nächsten Wahlen zu besiegen und die Türkei wieder auf einen parlamentarischdemokratischen Weg zu lenken. Es ist ein tiefgehender Stimmungsumschwung gegen Erdoğan. ... Die Schwäche der Opposition, ein Bündnis von sechs Parteien, ist, dass ihre ideologische Palette von links bis rechtsnationalistisch reicht. Nur das Ziel, Erdoğans autokratische Präsidentschaft zu beenden und die Türkei wieder in eine parlamentarische Demokratie zurückzuführen, hält das Bündnis zusammen. Seine erste Belastungsprobe wird es sein, sich auf einen gemeinsamen Spitzenkandidaten zu einigen.“
Davon kann die Regierung nur profitieren
Dieses Treffen hat die AKP endlich wachgerüttelt, kommentiert Karar:
„Das wird Ihnen jetzt seltsam vorkommen, aber zunächst einmal ist das gut für die Regierung. Nein, das ist keine Bedrohung. Ja, das ist eine Alternative. Ja, das ist der Wille, ihren Platz einzunehmen, aber dass sie von diesem Willen weiß, wird auch die Regierung dazu verleiten, sich zusammenzunehmen. Das weckt eine Regierung, die daran gewöhnt ist, mangels Alternativen seit 20 Jahren das Land zu regieren und sich bereits von der Wahrnehmung mitreißen ließ, dass sie sich alles rausnehmen kann, wieder auf und verleitet sie dazu, nach Lösungen zu suchen. ... Die Anzeichen hierfür sind bereits sichtbar.“
Keine Demokratie mit Sechser-Koalition möglich
Der Opposition geht es in Wirklichkeit darum, die Türkei wieder an eine Marionettenregierung zu übergeben, meint die regierungstreue Sabah:
„Die Zusammenkunft dieser Parteien hat nichts mit der Sorge um die Demokratie zu tun. Ihr einziges Anliegen besteht darin, das bestehende Präsidialsystem, das das ehemalige Vormundschaftssystem [das frühere parlamentarische System] zunichte gemacht hat, wieder zu ändern, zu zerstören und an dessen Stelle eine Regierung zu etablieren, mit der Vormünder aus dem In- und Ausland leicht spielen können. ... Ist es möglich, die Türkei in einer Zeit, in der auf globaler Ebene alles auf dem Kopf steht, mit einer Koalition aus 6 plus 1 oder vielleicht sogar noch mehr Parteien zu führen? Im Grunde wissen auch diese Parteien, dass das unmöglich ist. “