Ukraine: Droht neue Eskalation vor dem 9. Mai?

Russische Truppen haben ihre Angriffe im Osten der Ukraine fortgesetzt. Trotz einer kurzen Feuerpause für die Evakuierung von Zivilisten aus Mariupol wächst die Sorge vor Putins weiterem Vorgehen anlässlich des bevorstehenden Jahrestages zum Sieg über Nazi-Deutschland am 9. Mai. Kommentatoren gehen von unterschiedlichen bevorstehenden Szenarien aus.

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Denník N (SK) /

Putin unter Zeitdruck

Am Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland will Putin etwas vorzeigen und lässt deshalb seine Armee immer brutaler vorgehen, konstatiert Denník N:

„Der 9. Mai rückt näher, in einer Woche soll in Moskau der Erfolg der Spezialoperation gefeiert werden. Die Intensität der russischen Angriffe im Donbass nimmt zu, die Luftwaffe zerstört ukrainische Militäreinrichtungen, Raketen den Flughafen in Odessa. Die Zahl der Todesopfer steigt. ... Die Ukraine verteidigt sich heldenhaft und effektiv. Es kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass sich Russland im Streben nach Sieg oder Siegeseindruck zu noch drastischeren Lösungen entschließt.“

Gazeta Wyborcza (PL) /

Schlechtes Omen für die russische Offensive

Gazeta Wyborcza rechnet nicht mit einem russischen Triumphzug zum 9. Mai:

„Dutzende von Offizieren, darunter General Andrej Simonow, sollen bei einem ukrainischen Artillerieangriff auf einen russischen Kommandoposten getötet worden sein. Bisher unbestätigten Informationen zufolge wurde General Waleri Gerassimow, Generalstabschef der russischen Streitkräfte, verwundet. ... Die Tatsache, dass ein so wichtiger Kommandeur infolge ukrainischen Beschusses ausfallen könnte und eine Gruppe russischer Stabsoffiziere ums Leben kommt, ist ein schlechtes Omen für die russische Offensive im Donbass. Westliche Experten spekulierten, dass Putin bis zum 9. Mai, dem russischen Tag des Sieges, die Ukrainer aus der Region verdrängt haben werde und seinen Triumph verkündet. Ein solches Szenario scheint nicht wahrscheinlich.“

Gordonua.com (UA) /

Siegen mit US-Waffen

Die Entscheidung der USA, mit dem Lend-Lease-Act der Ukraine schnell und unbürokratisch Waffen zu liefern, macht einen Sieg der Ukraine über Russland möglich, glaubt Juri Butussow, Chefredakteur von censor.net, auf gordonua.com:

„Sobald das Gesetz in Kraft tritt, bedeutet dies, dass die Ukraine kostenlos unbegrenzte US-Ressourcen an Waffen und Nachschub erhält, um die russische Armee in kürzester Zeit zu besiegen und den Krieg zu gewinnen. ... Die Annahme von US-Lend-Lease und Nato-Nachschub bedeutet, dass die Ukraine nicht aufhören wird, es wird keinen Kompromiss geben. Die vollständige Befreiung des Donbass und der Krim wird durch massive Schläge mit modernstem Nato-Kampfgerät sichergestellt, gegen das die russische Armee nichts ausrichten kann.“

The Irish Times (IE) /

Die Tür für den Frieden offen halten

Alle Seiten sollten sich weiter um Frieden bemühen, fordert The Irish Times:

„Es ist wichtig, dass eine verhandelte Lösung auf der internationalen Agenda bleibt. Die Hoffnung auf eine Alternative zu einer militärischen Lösung darf nicht aufgegeben werden. Jede Einigung muss die ukrainische Sicherheit, ihr Territorium und die Zukunft der Sanktionen gegen Russland thematisieren. ... Die Abscheu angesichts der Gräueltaten russischer Streitkräfte in Butscha und Mariupol wird es der EU und den USA nicht leicht machen, die Sanktionen gegen Putin und sein Land zu lockern. Aber wie wir hier in Irland gut wissen, braucht es für Frieden oft schwer verdauliche moralische Kompromisse, bei denen Gerechtigkeit geopfert wird, um Leben zu retten.“

El Periódico de Catalunya (ES) /

Strategien erarbeiten, um Hoffnung zu bewahren

Angesichts der Flut an angstmachenden Nachrichten darf man nicht verzweifeln, mahnt die Autorin Emma Riverola in El Periódico de Catalunya:

„Es ist unmöglich, die Informationen zu betrachten, ohne einen Knoten im Bauch zu bekommen. Ein Ende des Krieges in der Ukraine ist nicht abzusehen und die nukleare Bedrohung ist nicht ausgeschlossen. Bei Putin ist nichts ausgeschlossen. ... Anxiolytika und Antidepressiva werden massenweise konsumiert. ... Dennoch müssen wir unbedingt Hoffnung schöpfen. Im Pragmatismus sowie im Idealismus. Von der Anerkennung vielerlei Gesten und Vorschlägen zur Verbesserung der kleinen Dinge, bis hin zu notwendigen neuen Formen der utopischen Solidarität. ... Die Ungewissheit ist so immens und lastet so schwer, dass wir ihr nicht direkt ins Angesicht schauen können. Lasst uns nach unten blicken. Und nach oben.“