Russland: Wie wehren sich Medien gegen die Zensur?
Aufgrund verschärfter staatlicher Bestimmungen sind in Russland fast alle kritischen Medien von der Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor im Internet blockiert worden und können nur noch über den Umweg eines VPN-Servers erreicht werden. Gleichzeitig entstehen neue Medienprojekte im Exil sowie News-Kanäle auf Telegram und Youtube. Kritische Stimmen am Internationalen Tag der Pressefreiheit.
Den Krieg trotzdem beim Namen nennen
Neun Tage nach ihrem Start wurde die im Exil gegründete Nowaja Gazeta Ewropa im russischen Internet bereits blockiert. Ihr Chefredakteur Kirill Martynow lässt sich nicht beirren:
„Wir schreiben nichts über die 'militärische Sonderoperation in der Ukraine', weil es sich dabei um einen Krieg handelt. Über Kriege muss man laut sprechen und so viel wie möglich schreiben. Dem Staatsanwalt und Zensor sei gesagt, dass die Nowaja Gaseta Ewropa auf EU-Territorium gegründet wurde, unter dem Schutz europäischer Pressefreiheitsgesetze und sich an ihnen orientiert. Die Vorstellungen der Russischen Föderation, die bei Ihnen das Recht ersetzen und unseren Beruf verbieten, betreffen unser Tun nicht. ... Die Wahrheit über den von Russland begonnenen schrecklichen Krieg wird allen Bürgern unseres Landes zugänglich werden.“
Kritik geht zwischen den Zeilen weiter
The Insider sieht Parallelen zu sowjetischen Verhältnissen:
„Einerseits wird der Pool der wahrlich totalitären, militaristischen und inhumanen Propagandaforen wachsen (selbst wenn sie zuvor über Angeln oder Poesie schrieben). Andererseits ist zu erwarten, dass die Gegenseite - die Antikriegs-Frondeure - dem Auditorium zuzwinkert und verklausuliert ihre Haltung ausdrückt (da gibt es reiche Erfahrungen aus der Sowjet- und aus der Zarenzeit). ... In der Geschichte der russischen Journalistik erscheint die einigermaßen gegebene Redefreiheit der 1990er- bis 2010er-Jahre eher als lokale Anomalie. Die Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu schreiben und zu lesen und der Zensur immer einen Schritt voraus zu sein, wurde über Jahrhunderte geschärft.“
Fake News wirken auch im Ausland
Propaganda ist seit Jahren auf dem Vormarsch, klagt Corriere del Ticino:
„In Russland hat Putin leider seit Jahren die unabhängige Presse mundtot gemacht, um sein Narrativ vom 'bösen' Westen, der sein Land strangulieren will, ungehindert verbreiten zu können. Die zunehmende Nutzung sozialer Medien für Propagandazwecke ist eine weitere Waffe für diejenigen, die gegen die 'unbequemen' Wahrheiten der unabhängigen Medien vorgehen wollen. Fake News erobern das Internet und machen den Eindringling zum Helden. Leider glauben das nicht nur die Russen.“