Türkei: Zensurwelle trifft Künstler
Der türkische Präsident Erdoğan und seine Regierungspartei AKP sorgen ein Jahr vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen nicht nur international für Aufruhr. In AKP-regierten Landesteilen werden Kulturveranstaltungen abgesagt, weil die Künstler auf Kurdisch singen oder angeblich Sittenlosigkeit provozieren. Allein vergangene Woche wurden mehrere Konzerte verboten. Kommentatoren sind wütend.
Konterrevolution aus dem Präsidentenpalast
Langsam verschwindet die Republik aus der Türkischen Republik, klagt Independent Türkçe:
„[Die Konservativen Machthaber] stecken ihre Nase in Universitäten, Wissenschaft, Fußball, Unterhaltung, Festivals, Parks, Fernsehserien, ja in alle erdenklichen Lebensräume, sie zerstören alle und lassen keinen winzigen Raum, in dem wir genießen und atmen können. ... Ein defektes Leben! All dies weist auf eine Realität hin: Konterrevolution. Dabei wurde de facto eine Situation geschaffen, in der das Zivilrecht abgeschafft und der Wille des Volkes durch den Willen des Palastes ersetzt wurde. Das ist das Gegenteil einer Republik. Die Republik ist dabei, zu verschwinden.“
Sitte als Vorwand
Die Auftritte von Mosso wurden nicht wegen ihrer vermeintlichen Sittenlosigkeit abgesagt, kommentiert Habertürk:
„Nicht etwa, weil sie nackt für Männermagazine posiert oder dem konservativen Anstand widersprechende Dinge getan hätte. Hätte sie all das gemacht, wäre das nämlich kein Problem gewesen. ... Aber diese unaufrichtigen, heuchlerischen so genannten Konservativen haben sich an Mossos Befürwortung der Istanbul-Konvention, die den Schutz von Frauen vor Gewalt und die Wahrung ihrer Würde zum Ziel hat, und ihrer Haltung zu Frauenrechten gestört.“
Gesellschaftlicher Sprengstoff
Die Regierung sollte besser aufpassen, was sie mit solchen Entscheidungen auslöst, mahnt T24:
„Es sind die Regierenden des Landes - oder diejenigen, die beabsichtigen, es zu regieren, - die sich die Auswirkungen ausrechnen müssen, die Verbote, die auf dem Rücken gefährdeter Gruppen oder Bürger ausgetragen werden, auf das gesellschaftliche Leben haben können. ... Solche Verbote können weitaus problematischere Folgen nach sich ziehen. Deshalb müssen wir erkennen, dass unser eigentliches Anliegen darin besteht, Regeln umzusetzen, die uns das Zusammenleben ermöglichen.“