Türkische Opposition präsentiert Verfassungsentwurf
Das aus sechs Parteien bestehende Oppositionsbündnis um die kemalistische CHP hat am Montag seinen Entwurf für eine neue türkische Verfassung vorgestellt. Kernpunkt ist die Rückkehr zum Parlamentarismus und damit die Abkehr vom seit 2018 geltenden Präsidialsystem, das viel Macht bei Amtsinhaber Erdoğan konzentriert. Oppositionelle Medien bewerten den Entwurf.
Ein-Mann-Herrschaft beenden!
Die kemalistische Sözcü betont, wie wichtig dieser Verfassungsentwurf ist, denn den aktuellen Machthabern sei es
„gelungen, die außerordentliche Macht, die ihnen die Ein-Mann-Herrschaft verleiht, in vollem Umfang für ihre eigenen Interessen zu nutzen. Eine der wichtigsten ist, dass die Befugnisse des Parlaments, das vom Volk gewählt wurde, beschnitten und größtenteils auf den Präsidentenpalast übertragen wurden. .... Die Türkei muss dieses Ein-Mann-Regime so schnell wie möglich aufgeben. Das kann nur mit einer neuen Verfassung erreicht werden. Wir müssen die Unabhängigkeit der Justiz wiederherstellen. Ein erster wichtiger Schritt ist getan. ... Wenn keine der sechs Oppositionsparteien ausschert und der anderen Seite in die Hände spielt.“
Volkssouveränität? Fehlanzeige!
Die sozialistische Tageszeitung Evrensel sieht keinen mutigen Neuanfang:
„[Der Entwurf] schlägt keinen wirklichen Machtwechsel mit einer Übertragung der Souveränität auf das Volk vor, um der repressiven, prohibitiven Willkür ein Ende zu setzen. ... Die Notwendigkeit eines grundlegenden Wandels wird eher in der Reorganisation der Verwaltung als in der des Staates als Volksdemokratie gesehen. ... Die Entscheidungen werden weiterhin von den Ausbeuterklassen unter der Führung der Herren der USA und der Nato, durch Organisationen wie Tüsiad [Vereinigung türkischer Industrieller und Geschäftsleute] und die bürgerlichen Parteien getroffen.“