Was ist vom Treffen in Ramstein zu erwarten?
Am heutigen Freitag trifft sich die Kontaktgruppe zur Verteidigung der Ukraine auf dem US-Militärstützpunkt im deutschen Ramstein. Im Zentrum steht für Europas Presse weiterhin die Frage, ob ein Bündnis zur Lieferung von Kampfpanzern an die ukrainischen Streitkräfte zustande kommt. Die Augen sind dabei vor allem auf Deutschland gerichtet.
Wichtiges Signal von der EU-Ratspräsidentschaft
Am Tag vor dem Treffen hat die schwedische Regierung die Lieferung von 50 Kampfpanzern des Typs CV90 in die Ukraine beschlossen. Expressen begrüßt das:
„Hoffentlich bedeutet die Ankündigung, dass andere europäische Länder, die den CV90 haben [wie etwa Dänemark, Niederlande, Finnland und Estland], ebenfalls auf weitere Fahrzeuge drängen werden. Wenn die Bundesregierung die Genehmigung weiterer Exporte von in Deutschland hergestellten Leopard-2-Panzern - unter anderem aus Finnland und Polen - hinauszögert, ist es wichtig, dass die schwedische EU-Ratspräsidentschaft Entschlossenheit zeigt. Die Sache der Ukraine ist unsere. Alles, was wir entbehren können, sollte sie bekommen. Auch Leopard 2.“
Mit Waffen Frieden schaffen
Postimees bekräftigt:
„Es bleibt zu hoffen, dass der Wechsel des Verteidigungsministers Deutschland hilft, zu einer Entscheidung über die Leoparden zu kommen. ... Die Nato hat die Herausforderung Russlands angenommen, wie es auch die Aussage des Generalsekretärs Jens Stoltenberg in Davos belegt, der [erneut] dazu aufgerufen hat, die militärische Unterstützung an die Ukraine deutlich auszuweiten, da Waffen der Weg zum Frieden seien. Estlands letztes Paket an Militärhilfe ist auch ein Schritt in diese Richtung.“
Es geht um mehr als Panzer
Wer von Waffenlieferungen an die Ukraine spricht, darf von strategischen Zielen nicht schweigen, mahnt die Frankfurter Rundschau:
„Geht es darum, dass ukrainische Soldaten die russische Armee aus den besetzten Gebieten vertreiben, damit dort keine Ukrainerinnen und Ukrainer unterdrückt, deportiert oder gefoltert werden? Oder soll Kiew in der Lage sein, die Krim zurückzuerobern? Auch die Antworten auf diese Fragen bestimmen Art und Umfang der Hilfen für das geschundene Land. Nicht nur der deutsche Regierungschef Olaf Scholz hat bisher versäumt, diese Fragen eindeutig zu beantworten. Auch ... Joe Biden und Emmanuel Macron haben sich diesbezüglich weder festgelegt noch ihre Ziele erläutert.“
Zwischen Abwehr und Angriff
Die westlichen Verbündeten müssen diese heikle Grundsatzfrage klären, argumentiert auch La Repubblica:
„Ob sie sich darauf beschränken, die Ukraine in die Lage zu versetzen, gut gerüstet die gefürchtete neue russische Offensive abzuwehren, oder ob sie sie aber mit Waffen ausstatten, die einen umfassenden Gegenangriff ermöglichen, bis hin zur angedrohten Rückeroberung der Krim. Das ist die eigentliche politische und militärische Bedeutung der Debatte um die Lieferung der Leopard-2-Panzer deutscher Produktion. Sie verdeutlicht die unterschiedlichen Positionen der Nato-Regierungen und auch die Unsicherheiten der Vereinigten Staaten. … Die Entscheidung ist brenzlig, da die politische Lage in Russland noch nie so unsicher war wie jetzt und die Partei der Hardliner gestärkt werden könnte.“
Ja aus Berlin rückt näher
Corriere della Sera rechnet mit Scholz' Zusage in Ramstein:
„In Davos versprach Olaf Scholz, die Unterstützung für die Ukraine aufrechtzuerhalten, ohne jedoch Panzer zu erwähnen. ... Doch es bewegt sich etwas, wie deutsche Minister und Beamte in den letzten zwei Tagen zugegeben haben, und es scheint, dass Berlin dem Druck der Ukraine und einiger westlicher Länder nachgeben könnte: Morgen, beim Gipfel der Unterstützer auf dem US-amerikanischen Stützpunkt in Ramstein, könnte von Deutschland endlich das OK für die Lieferung von Panzern aus deutscher Produktion kommen. Vorausgesetzt allerdings, so heißt es aus Deutschland, dass die USA ihre Kampfpanzer schicken.“
Mut zur Führung!
Scholz muss der Lieferung von Leopard-Panzern endlich zustimmen, fordert der Historiker Timothy Garton Ash in The Guardian:
„Der einzig realistische Weg zu einem dauerhaften Frieden besteht darin, die militärische Unterstützung der Ukraine zu verstärken, damit diese den Großteil ihres Territoriums zurückerobern und dann aus einer Position der Stärke über Frieden verhandeln kann. ... Sie [die Entscheidung über Panzerlieferungen] ist zu einem Lackmustest für Deutschlands Mut geworden, der nuklearen Erpressung Putins etwas entgegen zu halten, die deutsche Mischung aus Angst und Zweifeln zu überwinden und eine freie und souveräne Ukraine zu verteidigen. ... Sollte er sich an die Spitze eines europäischen Leopard-Plans stellen, könnte Scholz eine deutsche Führungsrolle einnehmen, die der gesamte Westen begrüßen würde.“
Ukraine kämpft auch für deutsche Sicherheit
Postimees analysiert:
„Deutschlands Problem - und insbesondere das der deutschen Sozialdemokraten - besteht im Erbe des Zweiten Weltkriegs. Die Befriedung Deutschlands war einer der Ecksteine der europäischen Sicherheit. Doch der Krieg in der Ukraine zeigt, dass diese Sicherheitsordnung nicht mehr den Bedürfnissen Europas entspricht. ... Die EU-Osterweiterung war wichtig für Deutschland: Sie schuf einen bequemen Puffer an seiner Ostgrenze und erweiterte die Stabilität in Europa. Dasselbe sollte man über die Ukraine denken - ein ukrainischer Sieg würde auch das Sicherheitsgefühl Deutschlands erweitern. Aber die Stabilisierung der Ukraine kann kein technischer Prozess sein, wie es die EU-Erweiterung weitgehend war. Sie erfordert zunächst Einsatz auf dem Schlachtfeld.“
Blick nicht länger nach innen richten
Deutschland muss sich seiner Verantwortung stellen, mahnt NRC Handelsblad:
„Freitag schaut die internationale Gemeinschaft nach Ramstein. Berlin scheint sich nicht so richtig bewusst zu sein, dass die Augen von Europa schon lange auf Deutschland gerichtet sind, die wirtschaftliche Großmacht, Heimatbasis einer großen Verteidigungsindustrie, die Brücke von Westen nach Osten, ein erneuertes Deutschland nach der sehr bedeutsamen Zeitenwende. Aber durch diese Zeitenwende ist der Blick zu sehr nach innen gerichtet, was verhindert, sich in Europa als Vorreiter aufzuschwingen. Die Verantwortung ist der Regierung zwar bewusst. ... Jetzt muss sie aber über diese nicht nur reden, sondern sie auch in Taten umsetzen.“
Insgeheim Angst vor dem Zerfall Russlands
Radio Kommersant FM sieht gute Gründe für die Zurückhaltung vieler westlicher Staaten bei der Lieferung schwerer Waffensysteme an die Ukraine:
„Abgesehen von den Polen, Balten und anderen historischen Dauergegnern Moskaus findet der Ruf nach dem Zerfall des 'russischen Imperiums', nach seiner Dekolonisierung und Liquidierung, nicht bei allen Anklang. Diejenigen, die fähig sind, sich nicht von momentanen Emotionen mitreißen zu lassen und auf morgen oder besser noch übermorgen zu blicken, erschreckt die Aussicht auf eine mit Atomraketen bestückte Chaos-Zone anstelle der Russischen Föderation. Doch der emotionale Hintergrund im Westen lässt es heute kaum einen europäischen oder amerikanischen Politiker wagen, so etwas öffentlich zu sagen.“