Offshore-Plan: Mit Nordseewind in die grüne Zukunft?
Neun europäische Länder haben sich am Sonntag auf ein gigantisches Projekt zum Ausbau der Offshore-Windenergie in der Nordsee geeinigt. Es soll mehr als 800 Milliarden Euro kosten und seine Leistung wird sich schrittweise steigern. Bis 2050 soll das Projekt über 300 Gigawatt (GW) Strom pro Jahr erzeugen. Finanziert wird es von der Europäischen Union und den beteiligten Ländern. Kommentatoren sehen vor allem viel Arbeit.
Diese Anstrengung wird sich lohnen
La Vanguardia findet, Spanien sollte sich ein Beispiel nehmen:
„Das Megaprojekt ist wegen des grünen Stroms und wegen der Botschaft der Zusammenarbeit der europäischen Länder wichtig, um von fossilen Brennstoffen wegzukommen. ... Die europäische Industrie wird ihre Ausbaukapazität auf 20 Gigawatt pro Jahr erhöhen müssen, während sie derzeit nur über sieben Gigawatt verfügt. Dies könnte bis zu 250.000 Arbeitsplätzen schaffen. Die Anstrengungen werden also enorm sein. Aber sie werden Europa zu einem Vorreiter in dieser Technologie machen. Spanien kann dem Beispiel folgen, wenn auch nicht auf dem Meer, sondern an Land. Seine großen Kapazitäten zur Erzeugung von Solarstrom könnten es zu einem wichtigen Stromlieferanten für das übrige Europa machen.“
China könnte bald die Fertigung dominieren
Europa muss bei der Produktion der Windräder dringend einen Zahn zulegen, drängt La Libre Belgique:
„Laut der Internationalen Energieagentur IEA muss der Ausbau der weltweiten Produktionskapazitäten für Windräder beschleunigt werden, damit die Welt den Weg zur CO2-Neutralität einschlägt. Neben dem Klimaschutz geht es auch um Beschäftigung. Zwar hat [Belgiens Premier] Alexander De Croo die europäische Expertise im Bereich Off-Shore-Windenergie begrüßt, doch droht in diesem Business eine Dominanz Chinas. Laut IEA könnten die Marktanteile Chinas bei der Herstellung von Rotorblättern, Gondeln und Türmen bis 2030 auf 60 bis 80 Prozent ansteigen. Das Ziel für Europa ist daher nicht nur, ein großer Markt zu sein, sondern diesen auch zu bedienen.“
Der Weg wird mühsam
De Morgen sieht Probleme durch schleppende Verfahren:
„Die größte Schwachstelle für den Erfolg von Offshore-Windkraft ist - der Mensch. Um die Kraft des Seewindes nutzbar zu machen, muss sie schließlich an Land gebracht und verteilt werden können. Das erfordert Installationen und Genehmigungen. Und wo von Genehmigungen die Rede ist, gehören auch Verzögerungen und Verfahrensprobleme dazu. ... Rund um die Pläne für grüne Energieprojekte herrscht immer eine optimistische 'Yes, we can!'-Stimmung. Das wirkt inspirierend, aber es darf nicht blenden. Der Gipfel ist vielleicht erreichbar, aber der Weg dorthin ist gerade erst angelegt worden und geht sehr steil nach oben.“
Nicht mehr als ein Anfang
Der Ausbau ist nicht nur die Konsequenz aus fehlendem russischen Gas, betont die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„[D]er eigentliche Grund des Nordsee-Fiebers steckt darin, dass allmählich klar wird, welche Mengen an Energie Europa eines klimafreundlichen Tages braucht, um seinen Wohlstand und seine Industrie halten zu können. Das grüne Kraftwerk Nordsee ... reicht aber bei Weitem nicht. ... Absehbar sind deshalb auch Korrekturen nach oben an den 800 Milliarden Euro, die Windkraftindustrie und EU-Kommission berechnet haben – allein für die Investitionen auf der Nordsee und im Hinterland.“