Was bedeutet Polens Wahlergebnis für Ungarn?
Noch ist unklar, wie in Polen nach dem Wahlsieg der Oppositionskräfte der Regierungswechsel ablaufen wird – oder ob sich die unterlegene PiS an die Macht klammert. Die Niederlage der nationalistisch-populistischen Kräfte in Warschau strahlt aber schon jetzt auf Budapest aus – wo Viktor Orbán ein ähnliches Regime führt. Die Presse beider Länder erörtert Ungarns Perspektiven.
Nun könnte Schluss sein mit EU-Blockade
Orbán verliert seinen wichtigsten Verbündeten, kommentiert Rzeczpospolita:
„Der Machtwechsel in Warschau wird sich nun insbesondere auf das Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags auswirken. Dieser sieht vor, dass einem Land, das dauerhaft gegen die Rechtsstaatlichkeit verstößt, sogar das Stimmrecht im EU-Rat entzogen werden kann, allerdings unter der Voraussetzung, dass alle Mitgliedsstaaten (außer dem betroffenen) dies befürworten. Viele Jahre lang haben sich Polen und Ungarn jedoch gegenseitig vor der strafenden Hand der EU-Zentrale abgeschirmt. Damit könnte nun Schluss sein, und das, obwohl der Führer der populistischen, nationalistischen Smer-Partei Robert Fico in der Slowakei an die Regierung zurückgekehrt ist.“
Orbán sucht Trost im Osten
Wenn Polen in den europäischen Mainstream zurückkehrt, bleiben Orbán nur östliche Mächte zum Anlehnen übrig, prognostiziert Magyar Narancs:
„Am 15. Oktober hat Orbán seinen letzten starken europäischen Verbündeten verloren - einen Verbündeten in der Hetzerei, im nationalen Egoismus und in der Neigung zu halbdiktatorischen Systemen ... Orbán ist allein. Auf die Frage, was er nach all dem noch in der EU zu suchen hat, hat er vielleicht gerade die Antwort gefunden: bei einer von der chinesischen Regierung organisierten Veranstaltung zur Feier von Chinas zehnjähriger globaler Expansion- und als hochgeschätzter Gast in der Residenz des russischen Präsidenten in Peking.“
Noch ist Ungarn nicht verloren
Marton Gergely, Chefredakteur der ungarischen Wochenzeitung hvg, schreibt in Gazeta Wyborcza:
„Das größte Problem in der ungarischen Politik ist, dass diejenigen, die den Wandel wollen, nicht an ihn glauben. Die Öffentlichkeit ist apathisch geworden, versucht, auf Zeit zu spielen und die kommende Dunkelheit mit Scherzen zu überspielen. Die Wahlen in Polen wurden in Budapest so gesehen, als ob die Ungarn zur Wahl gehen würden. Es hieß, es gäbe keine Chance auf Veränderung, weil die Propaganda immer gewinnt, weil der Hass stärker ist. Meine Landsleute haben den Gedanken, dass Polen aus der Populismus-Falle ausbrechen könnte, von vornherein verworfen. Umso mehr sind viele von uns froh, dass die Polen das Gegenteil bewiesen haben. ... Denn was in Polen passiert, erreicht auch Ungarn.“
Kein Schmusekurs mit den Nationalisten
Die ungarische Opposition kann etwas von den Polen lernen, meint die ehemalige sozialistische Politikerin Ildikó Lendvai in Népszava:
„Es wäre eine Sünde, das Beispiel der polnischen Wahlen nicht zu nutzen. Auch wenn ihm nicht automatisch gefolgt werden kann. Es lohnt sich aber zu beachten, dass die vom Tusk geleitete Opposition nicht unbedingt darauf hoffte, die Anhänger des Regimes anzulocken, sondern die bisher passiv Geschädigten - vor allem junge Menschen mit europäischen Verbindungen, Stadtbewohner, Menschen mit höherer Bildung und Frauen - zu mobilisieren und in einem Lager zu vereinen.“