Polen: PiS erhält Auftrag zur Regierungsbildung
Präsident Andrzej Duda hat dem bisherigen Premier Mateusz Morawiecki von der rechtskonservativen PiS den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt, obwohl das Oppositionslager insgesamt bei den Parlamentswahlen mehr Sitze gewonnen hatte. Es sei gute Tradition, den Auftrag zunächst an die wählerstärkste Partei zu geben, so Duda, der selbst für die PiS politisierte, bevor er Präsident wurde. Kommentatoren finden diese Haltung wenig konstruktiv.
Unnötiges Zeitschinden
Rzeczpospolita klagt:
„Präsident Andrzej Duda ist es nicht gelungen, sich über die Interessen seiner ehemaligen Partei hinwegzusetzen. Die Beauftragung von Mateusz Morawiecki mit der Regierungsbildung gibt der Rechten zumindest noch ein paar Wochen Machterhalt und die vage Aussicht, eine parlamentarische Mehrheit zu bilden. Vage deshalb, weil es heute keine vernünftigen Anzeichen dafür gibt, dass eine solche Mehrheit zustande kommen könnte.“
Der Präsident sucht den Machtkampf
Der Tagesspiegel findet das Vorgehen ziemlich traurig:
„Die hoffnungsvolle Erwartung wäre gewesen: Duda hat einen dreifachen Anreiz, sich konstruktiv zu verhalten: Respekt vor dem Wählerwillen, Verantwortung für die nationalen Interessen plus persönliche Ambitionen auf ein – vielleicht auch internationales – Amt nach der Präsidentschaft. ... Duda hat sich anders entschieden. Er sucht nicht die Verständigung, wie sie in einer Demokratie selbstverständlich sein sollte, weil die Opposition von heute die Regierung von morgen sein kann. Duda legt es offenbar auf Machtkampf an. Schade. Polen hätte Besseres verdient.“
Duda bringt sich als Chef der Rechten in Stellung
Tygodnik Powszechny sieht die Entscheidung als Hinweis auf eine schwierige künftige Koexistenz:
„Die Entscheidung des Präsidenten wirft ein Licht darauf, wie die Zusammenarbeit zwischen der neuen Parlamentsmehrheit und dem PiS-treuen Präsidenten aussehen wird. Die [Tusk-]Koalition kann wohl nicht mit einer konstruktiven Koexistenz mit dem Präsidenten rechnen und auch nicht damit, dass dieser Gesetze zur Auflösung des Nationalen Medienrats oder zur Trennung der Funktionen des Generalstaatsanwalts und des Justizministers unterschreibt. Die künftige Regierungskoalition muss sich damit abfinden, dass sie es im Palast nicht so sehr mit einem Staatspräsidenten zu tun haben wird, sondern mit einem Kandidaten für die künftige Führung der Rechten.“